Frank Ulrich Montgomery, 58, Radiologe und Präsident der Ärztekammer Hamburg.

Hamburger Abendblatt:

1. Mit jeder Lohnerhöhung und der jährlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze zahlen Arbeitnehmer höhere Beiträge in ihre Krankenkasse. Warum reicht das Geld trotzdem nicht?

Dr. Frank Ulrich Montgomery:

Seit 50 Jahren wachsen die Chancen und die Möglichkeiten der Medizin schneller als die Finanzen. Das ist eigentlich toll - aber ist und bleibt eine Herausforderung für jede Regierung. Zum anderen ist das Finanzierungssystem falsch angelegt. Die Umlagefinanzierung stammt aus einer Zeit, als 90 Prozent der Bevölkerung angestellt arbeiteten, heute sind wir bei unter 50 Prozent. So müssen die, die (noch) arbeiten, immer mehr finanzielle Lasten schultern für die, die nicht mehr arbeiten. Und es gibt zu wenig Eigenverantwortung und zu viel Vollkaskomentalität. Die Bürger könnten viele Kosten vermeiden durch Prävention, gezieltere Inanspruchnahme von Medizin und gesündere Lebensweise.

2. Wo kann Ihrer Meinung nach generell im Gesundheitssystem noch gespart werden?

In einem System, das über 170 Milliarden Euro im Jahr umsetzt, gibt es überall Effizienzreserven. Die muss man heben. Mit Sparen allein wird man das System nicht kurieren. Die Gesellschaft selbst muss die Frage beantworten: Wie viel Medizin will ich haben - und dann auch bezahlen?

3. Erwarten Sie vom bevorstehenden Gesundheitsgipfel der Koalition ein Ende des Streits über die Art und Weise, wie die Beiträge berechnet werden sollen?

Nein. Es geht den Koalitionären ja auch nur um einen "Einstieg" in ein anderes System - damit ist jeder weitere Schritt als Streitpunkt programmiert.

4. Welche Grundsätze einer Reform wären Ihnen wichtig, wären Sie Gesundheitsminister?

Eine illusorische Frage, da ich nie Gesundheitsminister werde. Aber es käme mir auf drei Punkte besonders an: 1. Mündige Patienten in Eigenverantwortung statt Bevormundung durch Kassen und Staat. 2. Solidarität der Gesunden mit den Kranken und der Jungen mit den Alten - die finanzielle Solidarität würde ich durch einen steuerfinanzierten Solidarausgleich regeln. Das ist allemal gerechter als das heutige intransparente Kassenwesen. 3. Versicherungspflicht für alle Bürger - mit der freien Auswahl unter modernen Versicherungen statt altmodischen Kassen.

5. Gibt es ein Land, dessen Gesundheitssystem uns als Vorbild dienen könnte?

Es gibt nirgendwo das "ideale System". Und doch können wir von anderen Ländern viel lernen. Nur das Umsetzen zu Hause ist schwer, weil Gesundheitssysteme viel mit Tradition und Nationalcharakter zu tun haben. So haben wir trotz aller Mängel (noch) eines der besten Systeme der Welt.