Doch Markus Söder wettert weiter gegen die FDP. Der bayerische Gesundheitsminister macht aber auch einen Kompromissvorschlag.

Berlin. Die Bundeskanzlerin ist für eine Kopfpauschale, ihr bayerischer Unionspartner strikt dagegen – und die FDP schwebt zwischen Baum und Borke. Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) haben die tückische Gesundheitsreform zur Chefsache erklärt.

Am Wochenende gehen sie mal wieder in Klausur. Und dort fällt die Entscheidung, wie die Deutschen künftig belastet werden. Denn es geht um Milliarden Euro, und nur ein leichtes Drehen an einer Schraube des Gesundheitssystems führt zu riesigen Umwälzungen und einem Umleiten der Geldströme. Laut „Süddeutscher Zeitung“ will das Trio der Parteichefs jetzt höchstselbst die Richtung in der Gesundheit vorgeben. Denn an der Gesundheit krankt die gesamte Koalition.

Und es geht um ein Defizit von mindestens zehn Milliarden Euro, das im kommenden Jahr gestopft werden muss. Dazu sind höhere Zusatzbeiträge für Millionen Versicherte im Gespräch, aber auch ein totaler Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung: weg vom einkommensabhängigen Beitrag (14,9 Prozent vom Monatsbrutto derzeit, 7 Prozent vom Arbeitgeber, 7,9 Prozent vom Arbeitnehmer) und hin zu einer Gesundheitsprämie, die in Wahrheit eine Kopfpauschale ist. Dann würde jeder Versicherte – Ehegatten und Kinder sollen weiter mitversichert sein – denselben festen Beitrag zur Krankenkasse zahlen. Ein Sozialausgleich für Geringverdiener würde Ungleichheiten ausgleichen. Das Konzept von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) für eine schrittweise Einführung einer kleinen Pauschale von etwa 30 Euro ist jedoch mit Pauken und Trompeten gescheitert. FDP und CSU schimpften sich „Wildsau“ und „gesundheitspolitische Gurkentruppe“.

Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) bekräftigte, dass die von der FDP gewünschte Kopfpauschale für Versicherte nicht durchsetzbar sei. „Die Kopfpauschale ist vom Tisch. Sie ist sozial und gesellschaftlich nicht akzeptabel, überbürokratisch und unpraktikabel“, sagte Söder dem „Münchner Merkur“. Söder verlangte zudem stärkere Einsparungen bei der Bürokratie und eine „Entschlackung“ der Kassenärztlichen Vereinigungen. „Das verschlingt viel Geld, das zum Wohle der Patienten besser in den Praxen aufgehoben wäre.“ Nötig sei auch eine komplette Überarbeitung der gegenwärtigen Honorarreform.

Der CSU-Politiker verlangte eine Totalumbau des von der großen Koalition geschaffenen Gesundheitsfonds. „Wir brauchen eine Grundrevision des Fonds.“ Er hofft in dieser Frage auf „die Brücke zur FDP“, die den Fonds ähnlich kritisch sehe. „Eine komplette Überarbeitung des Fonds das wäre eine echte Gesundheitsreform.“

Die CDU-Vorschläge für Milliarden-Einsparungen im Gesundheitssystem sind nach Einschätzung des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach weitgehend wirkungslos. „Die angekündigten 2,2 Milliarden sind bei näherer Betrachtung höchstens 500 Millionen Euro wert“, sagte Lauterbach der Nachrichtenagentur dpa. „Insgesamt sind die Vorschläge ein Witz.“

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion geht davon aus, dass damit der 2011 drohende Anstieg des Defizits im Gesundheitssystem kaum zu bremsen ist. Lauterbach erwartet ein Minus von 13 Milliarden Euro, Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) geht von elf Milliarden Euro aus.

Am Wochenende will Rösler mit den Gesundheitsexperten der Koalition in einer Klausur Möglichkeiten zur Stabilisierung der Kassenfinanzen ausloten. Mit Blick auf die CDU-Vorschläge geht Lauterbach davon aus, dass die 50 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen zusätzlich zur Kasse gebeten werden müssen, mit Zusatzbeiträgen zwischen 20 und 25 Euro monatlich. Rechne man den geplanten Steuerzuschuss ein, „müssen die Versicherten das Defizit zu mehr als 90 Prozent aus eigener Tasche bezahlen“. Der CDU-Vorschlag sei „ein Armutszeugnis“, kritisierte Lauterbach. „Wenn die CSU das mitträgt, ist sie komplett wortbrüchig.“

Das 2,2-Milliarden-Euro-Sparpaket der CDU-Gesundheitsexperten Jens Spahn und Rolf Koschorrek setzt auf eine Nullrunde für Krankenhäuser und Zahnärzte und ein Einfrieren der Kassen-Verwaltungskosten. Der vereinbarte Anstieg der Honorare für niedergelassene Ärzte soll auf die Hälfte begrenzt werden.

Lauterbach hält die Sparvorgaben für die Krankenhäuser von 850 Millionen Euro für „völlig unrealistisch“. Er nannte als Grund den jüngsten Tarifabschluss für die Klinikärzte und einen seit Jahren aufgestauten Nachholbedarf bei der Bezahlung der Pflegekräfte. Auch bei den Ärztehonoraren zeichneten sich deutliche Steigerungen ab. Dass die CDU den Krankenkassen einen Stopp bei den Verwaltungskosten verordnen wolle, bringt nach den Worten Lauterbach auch nichts, weil es bei diesen Ausgaben ohnehin seit Jahren „keine Steigerung mehr gegeben hat“.