Hamburg/Bonn. Der Spitzelskandal bei der Deutschen Telekom nimmt immer größere Ausmaße an. Gestern durchsuchten 30 Ermittler die Telekom-Zentrale in Bonn. Zudem wurden Ermittlungen gegen den früheren Telekom-Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke und den ehemaligen Aufsichtsratschef des Konzerns, Klaus Zumwinkel, eingeleitet. Neben den beiden Ex-Topmanagern wird noch gegen sechs weitere Personen ermittelt, allerdings nicht gegen Mitglieder des aktuellen Vorstands. Auch Privaträume wurden von Fahndern durchsucht.

Die Telekom hat nach bisherigen Erkenntnissen Kontakte von Managern und Aufsichtsräten zu Journalisten ausgespäht, um undichte Stellen im Konzern ausfindig zu machen. Juristisch steht der Vorwurf der missbräuchlichen Verwendung von Daten und der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses im Raum. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Freitagausgabe) sollen nicht nur Telefonverbindungen, sondern auch Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten ausgespäht worden sein. Zudem sollen mit einer speziellen Software und Handydaten Bewegungsprofile von einzelnen Personen erstellt worden sein. Derzeit untersuchen Ermittler laut "SZ" auch die Rechnung einer Berliner Datenauswertungsfirma über mehr als 350 000 Euro, die Ende November 2006 über die Kostenstelle des Vorstandsvorsitzenden der Telekom beglichen worden war - zu einem Zeitpunkt, als Telekom-Chef Rene Obermann gerade wenige Tage im Amt war. Obermann sagte der Zeitung, ihm sei der Vorgang erst im August 2007 "zur Kenntnis gekommen".

Die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, deren Telefonate zu Journalisten ausgespäht worden sein sollen, haben gestern Strafanzeige gegen die Telekom angekündigt. Der Chef des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Michael Konken, nannte die Vorgänge bei der Telekom im Abendblatt-Gespräch "kaum zu fassen und skandalös". Es täten sich "Abgründe der deutschen Wirtschaftsgeschichte und Pressefreiheit" auf. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte im Abendblatt: "Dem Missbrauch von Kunden- und Arbeitnehmerdaten muss ein Riegel vorgeschoben werden." DGB-Chef Michael Sommer, Mitglied des Telekom-Aufsichtsrates, sagte: "Ich habe den begründeten Verdacht, dass wir vor einem Abgrund von Bruch von Grundrechten stehen." Der Bund als Großaktionär stellte sich demonstrativ hinter den Telekom-Chef Obermann. Er habe entschiedene Maßnahmen zur Aufklärung eingeleitet.

Unterdessen wurden neue Vorwürfe gegen die Telekom erhoben. Laut "Financial Times Deutschland" soll ein Journalist der Zeitung schon im Jahr 2000 ausgespäht worden sein. Damals habe eine von Ex-DDR-Geheimdienstlern geführte Detektei versucht, mit verdeckter Kamera Unterlagen in seinem Kölner Büro zu dokumentieren. Telekom-Chef war zu jener Zeit Ron Sommer.