Berlin. Nach der Wahl ist bekanntlich vor der Wahl, und deshalb gibt es in der PDS ein gewisses Unbehagen, die rot-rote Koalition in Berlin fortzusetzen. Seine Partei sei von den Wählern für ihre Regierungsbeteiligung "schwer bestraft" worden, hat PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch gestern gesagt. Und auch der Berliner PDS-Spitzenkandidat, Wirtschaftssenator Harald Wolf, hat das enttäuschende Abschneiden seiner Partei damit erklärt, dass es eben nicht immer möglich gewesen sei, das Regierungshandeln "mit den Erwartungen und Wünschen unserer Wähler in Einklang zu bringen".

Im Vergleich zur Landtagswahl 2001 ist die Linke.PDS, wie sie sich jetzt nennt, am Sonntag in Berlin von 22,6 Prozent auf 13,4 Prozent abgerutscht. Das heißt, sie hat 9,2 Prozentpunkte verloren: an unzufriedene Nichtwähler (64 000), an die SPD (27 000), die WASG (16 000) und Sonstige (22 000). Mit dieser Wahlanalyse ist die am Wahlabend verbreitete Theorie in sich zusammengebrochen, die WASG hätte der PDS die Stimmen weggenommen.

Tatsache ist, dass von den 32 Direktmandaten, die die PDS 2001 in Berlin erringen konnte, nur 14 übrig geblieben sind. Und dass die Sozialisten in ihren einstigen Ostberliner Hochburgen Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf dramatisch verloren haben. In beiden Bezirken werden die PDS-Bürgermeister wohl abgelöst werden, in beiden Bezirken ist die absolute Mehrheit weg. Warum? Darauf habe er noch keine Antwort, hat Parteichef Lothar Bisky gesagt. Und von Verlusten "in Größenordnungen" gesprochen, "die durchaus schwierig sind".

Bisky hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass der PDS-Landesvorstand selbstverständlich frei sei in seiner Entscheidung, die Koalition mit der SPD fortzusetzen oder auch nicht. "Da werden wir uns nicht einmischen." Auf die Stimmung an der Parteibasis angesprochen, meinte Bisky nur: "In meiner Partei ist das nun mal so, dass Niederlagen schwierig sind." Nach einer winzigen Pause hat der 65-Jährige mit komisch gequältem Lächeln hinzugefügt: "Erfolge sind Katastrophen!"

Laut Harald Wolf kann eine Regierungsbeteiligung für die PDS niemals Selbstzweck sein, "sondern immer nur Mittel zur Durchsetzung unserer Ziele". Und zu diesen Zielen gehöre nun einmal der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor, die Einführung der Einheitsschule und die Verhinderung weiterer Privatisierungen. Auf die Frage, ob seine Partei eine Fortsetzung der rot-roten Koalition gegebenenfalls an der Einheitsschule scheitern lassen werde, die Klaus Wowereit bereits als "Kulturkampf gegen die Gymnasien" gegeißelt habe, antwortete Wolf diplomatisch, man könne ja mit ein paar "Pilotprojekten" beginnen. "Das werden wir in den Koalitionsverhandlungen auch vorschlagen."

Ob es diese Koalitionsverhandlungen tatsächlich geben wird, war gestern nicht klar. PDS-Urgestein Gregor Gysi schien zwar schon davon überzeugt - "Wir gehen ganz unverkrampft in die Koalitionsverhandlungen!" - , aber Klaus Wowereit hielt sich noch bedeckt. Berlins alter und wohl auch künftiger Regierender Bürgermeister hat gestern lediglich von Sondierungsgesprächen geredet, die er zunächst mit der PDS und danach mit den Grünen führen werde.

Eine erste Einmischung aus der Bundespolitik hat es gestern auch schon gegeben. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat sich im Deutschlandfunk für ein rot-grünes Regierungsbündnis in Berlin ausgesprochen.