Hamburg. Das Kompromiss-Papier von Regierung und Opposition zur Gesundheitsreform hat ein zwiespältiges Echo hervorgerufen. Während die Parteien von einem zwar schwierigen aber gelungenen Konzept sprachen, reagierten vor allem Kassen- und Ärztevertreter sowie Sozialverbände sehr kritisch. Herbert Rebscher, Chef des Dachverbandes der Ersatzkassen, hat den Kompromiss als "unangemessene Entscheidung zu Lasten der Versicherten" bezeichnet. "Ein Papier, das von zehn Milliarden Euro Einsparung knapp acht Milliarden Euro auf die Versicherten und Patienten verlagert und nur zwei Milliarden auf die Leistungserbringer, hat die Bezeichnung Reform nicht verdient", sagte Rebscher dem Abendblatt. Es sei der "kleinste gemeinsame Nenner" herausgekommen, sagte der Ersatzkassenverbandschef, zu dem die drei größten deutschen Krankenkassen DAK, Barmer und Techniker-Krankenkasse gehören. An Strukturreformen habe man sich nicht herangetraut. "Die Angst der Politik vor den Lobbygruppen war übermächtig." Als "besonders schlimm" habe er "den Kotau vor der Pharmaindustrie" empfunden, da sich die Parteien nicht auf die Positivliste zur Qualitäts- und Preiskontrolle der Arzneimittel durchringen konnten. Die Ausgliederung des Zahnersatzes aus der gesetzlichen Krankenversicherung nannte Rebscher "eine groteske, einseitige Belastung für die Versicherten". 7,50 Euro soll künftig die Versicherungspolice pro Monat für Zahnersatz kosten. "Ein Dumpingtarif, der schon bald kräftig erhöht werden wird", prophezeit Rebscher. Auch Walter Hirrlinger, Präsident des größten deutschen Sozialverbandes VdK, lässt wenig Gutes an dem Kompromisspapier. "Die Patienten und die Versicherten zahlen drauf, die Arbeitgeber werden entlastet", schimpft Hirrlinger gegenüber dem Abendblatt. "Es ist unglaublich, wie hier abgezockt wird." Der VdK-Chef fordert die Bürger deshalb auf, den Politikern für diese "unglaubliche Belastung" bei den nächsten Wahlen die Quittung zu präsentieren. "Die Versicherten haben leider keine Lobby. Sie können sich also nur so wehren", sagte Hirrlinger. Hans-Jürgen Ahrens, Chef der AOK, beklagt, das Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken, werde "allein auf dem Rücken der Patienten und Versicherten erreicht". Als "Pakt gegen die Schwachen" bezeichnete Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender der Ärzteorganisation Marburger Bund, das Kompromisspapier: "Aufwand und Ertrag dieses Unternehmens stehen für mich in keinem Verhältnis." Ekkehard Bahlo, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten, befürchtet, dass die geplante Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal zu größeren Risiken führe. Erkrankungen würden vielleicht nicht mehr so rechtzeitig behandelt, wie es erforderlich wäre.