Einigung zwischen Regierung und Opposition über Einsparungen im Gesundheitswesen. Die Hauptlast tragen die Versicherten.

Hamburg/Berlin. Praxisgebühr, private Zahnersatz-Police, erhöhte Zuzahlungen - auf die Versicherten und Patienten kommen milliardenschwere Belastungen zu. So sieht es das Kompromisspapier von Regierung und Opposition zur Gesundheitsreform vor, das gestern Nacht um 3.35 Uhr nach einem Verhandlungsmarathon von mehr als 13 Stunden verkündet wurde. Insgesamt 23,1 Milliarden Euro sollen demnach in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bis 2007 gespart werden. Ziel ist es, den durchschnittlichen Beitragssatz der Krankenkassen von derzeit 14,4 auf 13 Prozent zu senken. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Unionsverhandlungsführer Horst Seehofer (CSU) sprachen von einem ausgewogenen und gelungenen Kompromiss. Hier die entscheidenden Punkte im Überblick: 10 Euro Zuzahlung bei Arztbesuch pro Quartal Pro Besuch und Behandlungsfall beim Haus- oder Facharzt sowie beim Zahnarzt fällt künftig einmalig pro Quartal eine Gebühr von 10 Euro an. Bei Behandlungen mit Überweisung entfällt die Gebühr. 10 Prozent Zuzahlung für alle Leistungen Grundsätzlich müssen bei allen medizinischen Leistungen von den Patienten zehn Prozent - mindestens aber fünf und höchstens zehn Euro - zugezahlt werden. Bis zu 280 Euro Zuzahlung für Krankenhausbehandlung Zehn Euro Zuzahlung werden auch pro Krankenhaustag fällig - aber maximal 28 Tage. Extra-Versicherung für Zahnersatz Zahnersatz wird ab 2005 aus der Krankenversicherung ausgelagert und muss künftig privat versichert werden. Die Kosten dieser Versicherung werden pro Monat auf 7,50 Euro geschätzt. Tabaksteuer steigt um einen Euro pro Packung Die Tabaksteuer steigt 2004 und 2005 in drei Stufen um einen Euro je Schachtel. Versicherter muss allein das Krankengeld finanzieren Von 2007 an wird das Krankengeld allein durch die Versicherten finanziert. Sie übernehmen den Arbeitgeberanteil von 0,35 Prozent des Bruttogehalts. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und CDU-Chefin Angela Merkel sagten übereinstimmend, das Ergebnis könne sich sehen lassen. Der Kompromiss sei eine "sorgsam ausgewogene Balance" zwischen der Belastung der Patienten und der Leistungserbringer. Kassen, Apotheken, Ärzte und Sozialverbände kritisierten das Paket zum Teil heftig. Herbert Rebscher, Chef des Verbandes der Ersatzkassen, beklagte eine unangemessene Belastung der Versicherten. "Ein Papier, das von zehn Milliarden Euro Einsparung knapp acht Milliarden Euro auf die Versicherten und Patienten verlagert und nur zwei Milliarden auf die Leistungserbringer, hat die Bezeichnung Reform nicht verdient", sagte er dem Abendblatt. Walter Hirrlinger, Chef des Sozialverbandes Vdk, sagte, wieder einmal seien die Versicherten die Dummen. "Es ist unglaublich, wie hier abgezockt wird", sagte Hirrlinger dem Abendblatt. Heute soll das Konzept dennoch abschließend beraten und dann vorgestellt werden. Im September soll es dann erst im Bundestag und im November im Bundesrat verabschiedet werden. Die Mehrheit der Union dafür ist wohl gesichert.