Chamenei führt Präsident Ahmadinedschad ins Amt ein. Den Handkuss als höchstes Zeichen der Ehre verweigerte der Ayatollah dem Regierungschef.

Hamburg. Schon eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale erklärte die iranische Nachrichtenagentur Irna "Doktor Ahmadinedschad" zum Wahlsieger. Mit Zweidrittelmehrheit soll der Präsident im Amt bestätigt worden sein. Dabei blieb es. Sieben Wochen nach dem erkennbar manipulierten Urnengang, nach Protesten Hunderttausender, nach 2000 Festnahmen und 30 Toten hat Irans geistlicher Führer Ayatollah Ali Chamenei den dreisten Coup gestern bestätigt. Morgen soll Mahmud Ahmadinedschad vereidigt werden.

Mit seiner Wiederwahl hätten sich die Iraner "für den Kampf gegen die weltweite Arroganz und Armut" und für Gerechtigkeit entschieden, sagte Chamenei in Teheran. Bei der feierlichen Zeremonie überreichte er Ahmadinedschad den Ernennungserlass. Als der alte und neue Staatschef ihm allerdings die Hand küssen wollte, wandte sich Chamenei ab. Fernsehbilder zeigten, wie Chamenei einen Schritt nach hinten ging, als Ahmadinedschad sich zum Handkuss vorbeugte. Der Kuss ging ins Leere. Einen Kuss auf seine Schulter ließ Chamenei dann lächelnd zu. Vor vier Jahren hatte Chamenei Ahmadinedschad den Handkuss - im Iran eine der höchsten Bekundungen von Respekt - noch gestattet.

"Der Vorfall zeigt, dass die Entwicklung im Iran nicht spurlos an beiden vorbeigegangen ist", sagte der Nahost-Experte Udo Steinbach dem Abendblatt. Bei der Bewältigung der Krise habe es durchaus Unstimmigkeiten zwischen Chamenei und Ahmadinedschad gegeben. Noch sei aber unklar, wer am Ende auf der Verliererseite stehe.

Die Opposition glänzte bei der Zeremonie durch Abwesenheit. Die früheren Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani und Mohammed Chatami sowie die bei der umstrittenen Präsidentenwahl unterlegenen Reformpolitiker Mir Hussein Mussawi und Mahdi Karrubi protestierten mit ihrem Boykott gegen die Wahl sowie gegen die Anklage von 100 Demonstranten und Reformpolitikern. Vor dem Revolutionsgericht in Teheran hat die Abrechnung des Regimes mit der Opposition begonnen. Den Angeklagten werden Aufruhr, Vergehen gegen die nationale Sicherheit sowie Verschwörung vorgeworfen. Ihnen droht die Todesstrafe.

Chatami kritisierte das Verfahren als reinen Schauprozess: Das nicht öffentliche Verfahren verstoße gegen die Verfassung, geltende Gesetze und Bürgerrechte und werde dem System schaden. Das Vertrauen der Öffentlichkeit werde weiter schwinden. Und Oppositionsführer Mussawi warf der Regierung vor, Geständnisse unter Folter erzwungen zu haben. So sagte ausgerechnet Chatamis engster Vertrauter, Ex-Vizepräsident Mohammed Ali Abtahi, in einer überraschenden Kehrtwende, die Präsidentenwahl sei sauber verlaufen. "Allen meinen Freunden, ... sage ich, dass die Betrugssache eine Lüge war." Abtahi warf Rafsandschani und Chatami vor, eine sanfte Revolution gegen die islamische Ordnung zu planen. Sie seien Anstifter eines Komplotts und hätten einander geschworen, sich gegenseitig zu schützen. Rafsandschanis Motiv sei Rache für die Niederlage in der ersten Präsidentenwahl 2005 gegen Ahmadinedschad.

Die Medien zeigten Bilder von Abtahi, auf denen er gebrochen wirkte - ohne Turban, mit wirren Haaren und zitternden Händen. Schon vor Prozessbeginn war immer wieder von Folter an Festgenommenen berichtet worden. Doch die Oppositionsanhänger lassen sich nicht einschüchtern. Nur wenige Stunden nach der offiziellen Bestätigung der Wiederwahl Ahmadinedschads haben im Zentrum von Teheran wieder Tausende Iraner gegen die gestohlene Wahl protestiert.