Seit mehr als 30 Jahren halten sich die Mullahs an der Macht: 1978/79 gelang ihnen unter der Führung des greisen Ayatollah Ruhollah Khomeini die “Islamische Revolution“, weil dieser als spirituelle Integrationsfigur die verschiedenen Gruppierungen gegen den Schah zusammenhielt.

Inzwischen hat sich die iranische Gesellschaft verändert. Vor allem die postrevolutionäre Jugend in den Städten ist aus dem Geist eines verengten Islam hinausgewachsen und hat sich im Zeitalter von Handys, Facebook und Twitter von den streng blickenden religiösen Bartträgern emanzipiert. Wo immer der islamische Staat erziehend und korrigierend eingreift, entwickeln junge Iraner eine große Geschicklichkeit, die Schlupflöcher im System auszunutzen.

Aber das System bietet ihnen keine Jobs, keine Mitgestaltungsmöglichkeit. Die religiös-autoritäre Fürsorge - das Grundkonzept des islamischen Staats - sieht keine Teilhabe der Bevölkerung an den Entscheidungen der Mullahs vor. Auch die Hoffnung der Jugend, dass der Iran seine außenpolitische Isolation in der Ära Obama überwinden könnte, hat sich bislang nicht erfüllt. Das System der Mullahs erweist sich auch hier als starr und unbeweglich.

Das ist der Kern des Unmuts, der sich in der vergangenen Woche im Iran Bahn gebrochen hat. Nur: Der Protestbewegung fehlt es heute, anders als vor 30 Jahren, an charismatischen Führern. Auch "Reformer" Mir Hussein Mussawi steht allenfalls für Reformen innerhalb des islamischen Staats - für ein paar kleine Freiheiten mehr, aber noch nicht für verlässliche demokratische Rechte. Das Vorgehen der iranischen Führung zeigt, dass ihr selbst das schon zu viel ist: Sie will das Gesamtmodell "islamischer Staat" ohne Einschränkung beibehalten. Da wird die iranische Protestbewegung noch einen langen Atem brauchen.