Viele erhoffen sich, wofür die Gattin des Oppositionsführers steht: klare Worte und mehr Freiheit. Mussawi sieht sich selbst als “Märtyrer“.

Hamburg/Teheran. Landesweites Demonstrationsverbot, Straßenschlachten mit der Polizei, wieder zehn bis 13 Tote: Trotzdem hat sich die iranische Protestbewegung bisher nicht einschüchtern lassen und geht auf Konfrontation zur politischen Führung. "Das ist der Beginn für eine entscheidende Phase", sagte ARD-Korrespondent Peter Metzger in Teheran gestern. Er habe den Eindruck, "die Opposition möchte es wirklich wissen", so Metzger.

Auch nachdem Irans höchster Führer Ayatollah Ali Chamenei am Freitag die Wahlen für rechtmäßig erklärt und ein Ende der Proteste angeordnet hatte, zeigte sich Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi kämpferisch: Er beharrte am Wochenende auf dem Vorwurf des Wahlbetrugs. Einem Verbündeten zufolge erklärte er, er werde unter Einsatz seines Lebens weiterkämpfen und sei bereit "zum Märtyrertum".

Dass gerade Mussawi zur Galionsfigur der Reformbewegung wurde, liegt nicht zuletzt an seiner Frau Sarah Rahnaward (64). Die Mutter von drei Töchtern, ehemalige Dekanin der Frauenuniversität Al Sahra in Teheran, ist eine selbstbewusste Politologin und Künstlerin, die ihren Mann öffentlich auf Massenkundgebungen und im Fernsehen unterstützte. Im Iran völlig ungewöhnlich: Dort sind Politikerfrauen so gut wie unsichtbar.

Öffentlich zog sie bereits gegen den angeordneten Schador (Schleier) der Frauen zu Felde: Es sei eine "grobe und abscheuliche Behandlung" der Frauen, wenn sie von Sittenwächtern und Polizei "herablassend" zur Verschleierung gezwungen würden. Als Dekanin lud sie unter anderem die Menschenrechtsanwältin und Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi an ihre Hochschule ein - unter Ahmadinedschad wurde sie ihren Posten los.

Wie in einem Dampfkessel haben sich in der iranischen Gesellschaft Reformwünsche aufgestaut, die von der islamischen Staatsführung niedergehalten werden. Ein Hauptthema dabei ist die Stellung der Frau. Seit etwa zehn Jahren übersteigt die Zahl der Studentinnen in den meisten Fächern die der Studenten. Aber auf dem Arbeitsmarkt stoßen Irans gebildete Töchter auf zahlreiche geschlechtsspezifische Einschränkungen. Mussawi und seine Frau repräsentieren die Hoffnung auf eine Änderung - ein Grund für den großen Frauenanteil bei den Protesten.

Mussawi profitiert aber auch von einer Spaltung der Geistlichkeit. "Bisher war es üblich, dass nach einer Wahl die gesamte Riege der Großayatollahs dem Wahlsieger gratulierte", schreibt der Politologe Bahman Nirumand in dem Infodienst Qantara. Diesmal hätten selbst konservative Mullahs auffällig geschwiegen. Grund: Zu den Gegnern des angeblichen Wahlgewinners Ahmadinedschad gehören prominente Geistliche wie Ex-Präsident Mohammed Chatami, Großayatollah Hussein Ali Montaseri und Ex-Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani, die fest in der religiösen und politischen Elite des Landes verankert sind. Die Opposition reicht bis in ihre Familien hinein: Gestern wurden Rafsandschanis Tochter und vier weitere Familienmitglieder festgenommen, weil sie an verbotenen Demonstrationen teilgenommen hätten, berichtete das staatliche Fernsehen.

Auch Mussawi müsse jetzt aufpassen, sagte ARD-Korrespondent Peter Mezger: "Er ist jetzt Staatsfeind Nummer eins." Wenn er verhaftet würde, fehle der Opposition die einigende Führungsfigur. Andererseits: "Dann hat die Opposition einen Helden."