Hamburger Abendblatt:

Herr von Klaeden, welche Folgen hat die blutige Eskalation am Kaukasus für Europa?

Eckart von Klaeden:

Das hängt von der weiteren Entwicklung ab. Wenn es gelingt, dafür zu sorgen, dass wir wieder zum Status quo ante zurückkehren können und auch Russland bereit ist, einem Waffenstillstand zuzustimmen und seine Truppen aus Georgien wieder zurückzuziehen, dann wird das keine großen Konsequenzen für Europa geben. Wenn die Lage aber weiter eskalieren sollte, kann es erhebliche Konsequenzen geben, über die ich im Einzelnen nicht spekulieren will. Georgien ist für uns wichtig. Einerseits liegt es am Rande Europas, die Türkei ist in der Nachbarschaft als Nato-Partner. Zum zweiten ist es aus energiepolitischen Gründen von strategischer Bedeutung, denn die Pipeline, die aus Aserbaidschan über Georgien in die Türkei führt, soll Teil der Nabucco-Pipeline sein, die uns unabhängiger von russischen Erdgaslieferungen machen soll.



Abendblatt:

Georgien befand sich auf dem Weg in die Nato. Ändert der Krieg etwas an den Chancen des Landes?

Klaeden:

Die Ereignisse sind schon dramatisch. Aber da die Lage so unübersichtlich ist, gibt es für mich keinen Grund, die Beschlüsse von Bukarest zu revidieren.



Abendblatt:

Wie konnte es zu der Eskalation kommen? Hat die internationale Staatengemeinschaft im Kaukasus versagt?

Klaeden:

Noch sind die Ursachen nicht ausreichend bekannt und wir haben keine objektiven Quellen. Ich habe die Befürchtung, dass sich die georgische Seite von zunehmender Gewalttätigkeit auf südossetischer Seite hat provozieren lassen, und das hat die weiteren Eskalationsschritte nach sich gezogen.



Abendblatt:

Stimmt der Eindruck, dass Russland zunehmend imperialistischer wird?

Klaeden:

Russlands Reden und Handeln dem Westen gegenüber ist insbesondere in den letzten beiden Jahren aggressiver geworden. Das muss man leider so feststellen. Es wird immer schwieriger, in wichtigen Fragen mit Russland zu kooperieren. Das gilt auch für die Kosovo-Frage oder ein gemeinsames Vorgehen angesichts des iranischen Atomprogramms.


Nichtsdestotrotz müssen wir sehen, dass wir mit Russland zusammenarbeiten, denn Russland ist Europas wichtigster Nachbar im Osten und Veto-Macht im Weltsicherheitsrat. Wir müssen sehen, dass wir in der Europäischen Union nach Möglichkeit mit einer Stimme sprechen und gemeinsam auftreten, um auf eine kohärente Russlandpolitik zu kommen.


Abendblatt:

Droht der Kaukasus-Konflikt zu einem neuen Ost-West-Konflikt zu werden?

Klaeden:

Das ist zu sehr die Rhetorik des Kalten Krieges. Der Kalte Krieg ist zu Ende, und die Sowjetunion gibt es nicht mehr, aber an die Stelle der Sowjetunion ist in ihrem Kernland nicht ein demokratisches Russland getreten, sondern ein Russland, das immer stärker autokratisch regiert wird und an alte imperiale Traditionen anknüpft.



Abendblatt:

Was können Europa und die Nato jetzt tun, um den Krieg einzudämmen?

Klaeden:

Im aktuellen Konflikt sind unsere Möglichkeiten begrenzt. Aber insgesamt müssen wir zusammenstehen. Russland handelt nach seinen Interessen. Je nachsichtiger wir sind, wenn Russland aggressiv auftritt, umso mehr breitet sich in Moskau der Eindruck aus, dass man auf diese Weise erfolgreich sein kann.


Interview: