Die USA haben wenig Handhabe gegen Russlands Auftrumpfen. Drohungen sollen Ratlosigkeit kaschieren. Experten befürchten Beginn einer neuen Eiszeit und eine neue Großmachtkonkurrenz.

Washington. Im fein abgestuften Vokabular der internationalen Krisendiplomatie ist "inakzeptabel" ein Schlüsselwort. Unter Diplomaten signalisiert es: Die Lage ist ernst, Bereitschaft zum Kompromiss gibt es nicht. Es ist also schlecht bestellt um die Beziehungen zwischen den USA und Russland. Als "inakzeptabel" tadelt US-Präsident George W. Bush den russischen Militäreinsatz in Georgien und dessen abtrünnigen Provinzen. Als "inakzeptabel" weist Russlands Uno-Botschafter Witali Tschurkin diese Kritik zurück. Als "inakzeptabel" brandmarkt sein US-Kollege Zalmay Khalilzad wiederum Russlands "Kampagne des Terrors". Es ist eine Eskalation der Worte, die den Beginn einer neuen Eiszeit zwischen Washington und Moskau markieren könnte.

Es illustriert die prekäre Lage der USA, dass ihnen im Einsatz für den militärisch bedrängten Verbündeten Georgien derzeit nur Worte als Waffe bleiben. Zum Ärger der USA führt der Kreml im Konflikt um Südossetien und Abchasien den Westen vor: Georgiens leidenschaftliche Westorientierung, so lautet die versteckte Botschaft aus Moskau, zahlt sich nicht aus, weil die USA den großen militärischen Konflikt in der Region scheuen.

Dass Georgiens USA-naher Präsident Michail Saakaschwili sich auf einen militärischen Konflikt um Südossetien einließ, sei denn auch ein "sehr kühner Schritt gewesen, weil der Westen wohl nicht zu seiner Rettung eilen wird", sagt der Russland-Experte Jeffrey Mankoff vom Council on Foreign Relations in Washington. "Der Westen wird keinen Krieg für ihn ausfechten, schon gar nicht gegen Russland."

Also setzen die USA derweil auf Verurteilungen, Kritik und Drohungen, die ein wenig wohl auch die Macht- und Ratlosigkeit in Washington kaschieren sollen. Vizepräsident Dick Cheney, ein moskaukritischer Hardliner, droht Russland mit "ernsthaften Konsequenzen für das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten". Präsident Bush weist auf seine "Freundschaft" mit Ministerpräsident Wladimir Putin hin und beteuert, ihn "mit Härte" auf das Thema angesprochen zu haben.

Im Uno-Sicherheitsrat führte der Streit zwischen den USA und Russland bereits zu einer verbalen Konfrontation, der an die kältesten Zeiten des Kalten Krieges erinnerte. Amerikas Uno-Botschafter Khalilzad warf Russland eine "Terrorkampagne" gegen Zivilisten vor. Russlands Botschafter Tschurkin erwiderte kühl: "Nun unternehmen Sie doch keine Propagandaaktivitäten hier im Sicherheitsrat."

Khalilzad warf Russland dann ausdrücklich vor, Saakaschwili stürzen zu wollen und einen "Regimewechsel" in Tiflis anzustreben. Tschurkin spottete: ",Regimewechsel&39; ist ein amerikanischer Begriff." Er fügte hinzu: "Das ist absolut inakzeptabel, insbesondere aus dem Mund des Vertreters eines Landes, dessen Vorgehen im Irak, in Afghanistan und in Serbien wir gut kennen."

Mit dem Verweis auf die US-Militäreinsätze hob Tschurkin einen wunden Punkt Moskaus hervor: die von der Bush-Regierung verfolgte neue Weltordnung, die sich aus Moskaus Sicht bedrohlich in den Militäreinsätzen in Irak und Afghanistan, in den prowestlichen Umstürzen in Georgien und der Ukraine sowie der geplanten US-Raketenabwehr in Polen und Tschechien manifestiert. Dies sind Entwicklungen, die Moskau nun möglicherweise durch eine Demonstration der Macht gegenüber den USA umkehren will - potenziell mit langfristigen politischen Konsequenzen.

"Historiker werde den 8. August 2008 als Wendepunkt ansehen", analysiert der Russlandexperte Robert Kagan von der Carnegie-Stiftung in der "Washington Post". "Russlands Angriff auf das souveräne Georgien markiert die Rückkehr der Geschichte zu einer Großmachtkonkurrenz fast wie im 19. Jahrhundert mit überschäumendem Nationalismus, Kämpfen um Ressourcen, Ringen um Einflusssphären und Territorium und dem Einsatz militärischer Macht zur Umsetzung geopolitischer Ziele."