Israel: Premier ringt nach Schlaganfall mit dem Tod. Ärzte operierten ihn sieben Stunden lang. Welt in Sorge um Friedensprozeß. Rabbiner rufen zu Gebeten auf.

Jerusalem. Israelische Ärzte kämpfen um das Leben von Ministerpräsident Ariel Scharon - und der Nahe Osten hält den Atem an. Was wird jetzt aus dem Friedensprozeß?

Nach seinem schweren Schlaganfall vom Mittwoch abend liegt der 77jährige Scharon im künstlichen Koma. Hoffnungen, daß er an die Spitze der Regierung zurückkehrt, gibt es nach Auskunft der Ärzte kaum. Chirurgen im Jerusalemer Hadassa-Krankenhaus mußten ihn zweimal operieren, um Gehirnblutungen zu stoppen. Scharons Vize Ehud Olmert übernahm die Regierungsgeschäfte. Rabbiner riefen zu Gebeten in den Synagogen auf. Papst Benedikt XVI. betete "für Frieden im Heiligen Land". Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas übermittelte Genesungswünsche. Palästinensische Extremistengruppen erklärten dagegen, Scharon solle "zur Hölle fahren".

Im Nahen Osten und in den westlichen Regierungen machte sich Sorge um den künftigen Kurs der israelischen Regierung breit. Scharon, ursprünglich ein Vertreter des rechten Spektrums, hatte zuletzt eine Politik der Mitte verfolgt und den israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen gegen den Widerstand vieler Mitglieder seiner konservativen Likud-Partei durchgesetzt. Als sein parteiinterner Rückhalt schwächer wurde, trat Scharon aus dem Likud aus und gründete die Partei Kadima. An deren Spitze wollte er sich am 28. März für eine dritte Amtszeit bewerben. Ihre Chancen galten als gut. Generalstaatsanwalt Meni Masus teilte mit, daß die Wahl nicht verschoben werde.

Olmert sagte zu Beginn einer Krisensitzung des Kabinetts: "Das ist ein schwerer Tag." Gleichzeitig versuchte er, Unsicherheiten zu zerstreuen: "Die Regierung funktioniert, und Israel funktioniert!" Der palästinensische Regierungschef Ahmed Kureia warnte dagegen, Scharons Ausfall werde Auswirkungen "nicht nur auf Israel, sondern auf die ganze Region haben".

Der Zustand des Premiers sei ernst, aber stabil, sagte Klinik-Direktor Schlomo Mor-Josef gestern abend. Den Ärzten gelang es in siebenstündigem Notfalleinsatz, die Hirnblutung des Patienten, der bereits vor anderthalb Wochen einen leichten Schlaganfall erlitten hatte, zu stoppen. Danach wurde er künstlich beatmet. Eine fortgesetzte Narkose solle den Druck im Gehirn niedrig halten. Scharons Söhne Omri und Gilad besuchten den Vater am Krankenbett.