Kommentar: Ariel Scharon. Israel und Nahost

Wieder hält der krisengeschüttelte Nahe Osten inne. Ariel "Arik" Scharon, der "Löwe Gottes", ringt um sein Leben. Der Premier, der wie kein zweiter die Geschichte des im Krieg geborenen Staates verkörpert, wird kaum auf die politische Bühne zurückkehren. Damit endet in Israel eine Ära - und das just zu dem Zeitpunkt, an dem der Friedensprozeß nach dem Tod von Palästinenserpräsident Jassir Arafat und der Gründung von Scharons neuer Partei Kadima endlich wieder Fahrt aufzunehmen schien.

Das Amt, eines der schwierigsten, das die Weltpolitik zu vergeben hat, der Wahlkampf, das Alter und eine ungesunde Lebensweise haben an Scharon gezehrt. Am Ende hat der 77jährige die eigene Gesundheit dem Machterhalt untergeordnet. Ganz eisenharter Haudegen, der er als Militär immer war. Auch als Politiker ist Scharon stets Falke geblieben. Mehr noch allerdings ein kühl kalkulierender Pragmatiker, der erkannt hat, daß sich die Israelis, die anders als etwa Europa bereits seit Jahrzehnten mit dem Terror leben, ganz überwiegend nach einem sehnen: nach Sicherheit und Ruhe. Allein darum ist Scharon aus dem Gaza-Streifen abgezogen, während er die Siedlungen im Westjordanland wie eh und je ausbauen ließ. Von Altersmilde keine Spur. Um so mehr von zielgerichteter Taktik. Ganz politisches Urgestein, das selbst alle Experten überrascht.

Weil Scharon aber diesen Kurs im Alleingang durchgezogen hat, ist auf den ersten Blick niemand von Format in Sicht, der die Lücke füllen könnte, die Scharon hinterlassen wird. Auch im Nahost-Prozeß ist plötzlich wieder alles offen. Die Sorge der Welt gilt jetzt jedoch vor allem Scharon selbst. Und das Mitgefühl seinen Angehörigen.