Die Welt feiert 60 Jahre Kriegsende in Moskau: Putin lobt deutsch-russische Aussöhnung und den Mut der Europäer.

Moskau. Sieger und Besiegte haben gestern in Moskau mit einer Militärparade auf dem Roten Platz des Sieges über Nazi-Deutschland vor 60 Jahren gedacht. An den Feierlichkeiten nahmen Staats- und Regierungschefs aus mehr als 50 Ländern teil, mit Gerhard Schröder (SPD) war erstmals ein deutscher Bundeskanzler eingeladen.

Rußlands Präsident Wladimir Putin lobte in seiner Ansprache die deutsch-russische Versöhnung als eine "der wichtigsten Errungenschaften der Nachkriegszeit" und "leuchtendes Beispiel für die Welt".

Im Beisein von US-Präsident George W. Bush, des französischen Präsidenten Jacques Chirac und anderern Staatsgästen nahm Putin die traditionelle Siegesparade mit mehr als 7000 Soldaten und rund 2500 Veteranen ab. Für Rußland endet der Zweite Weltkrieg erst am 9. Mai, da auf Anordnung Stalins die Unterzeichnung der deutschen Kapitulation nochmals in Berlin-Karlshorst wiederholt wurde. Der Veteran Michail Fjodorowitsch rief aus: "Mögen die Deutschen und die anderen mit dabeisein! Ich habe nichts dagegen." Der ordensgeschmückte Rentner war 1945 als Aufklärer am Sturm auf Berlin beteiligt.

Putin schlug in seiner Gedenkrede versöhnliche Töne an und erinnerte an die gemeinsamen Interessen. Die Politik des heutigen Rußlands basiere auf den "Idealen von Freiheit und Demokratie und dem Recht jeder Nation, den eigenen Weg zu wählen". Gleichzeitig warb er für eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus.

Putin sagte, es dürfe nicht vergessen werden, welche Grausamkeiten der Zweite Weltkrieg über die Menschen gebracht habe. Dabei seien die Völker den mehr als 26,6 Millionen sowjetischen Kriegstoten zu großer Dankbarkeit verpflichtet. Denn die alte Sowjetunion habe bei der Zurückschlagung von Nazi-Deutschland den größten Blutzoll bezahlt. Auf ihrem Territorium sei dessen Niederlage eingeleitet worden. "Wir werden uns aber immer unserer Verbündeten erinnern, der USA, Großbritanniens, Frankreichs und anderer Länder, die in der Anti-Nazi-Koalition gekämpft haben. Heute verneigen wir uns vor dem Mut aller Europäer, die sich dem Nationalsozialismus entgegengesetzt haben." Es gelte, des Tages zu gedenken, an dem das Gute über das Böse und die Freiheit über die Tyrannei gesiegt habe. Weltweit waren im Zweiten Weltkrieg mehr als 55 Millionen Menschen getötet worden.

Schröder sagte der ARD, es sei "schon ein merkwürdiges Gefühl", an den Feiern teilzunehmen. Man komme sich schon "sehr allein" vor. Doch zeige es, daß "Deutschland in die Staatengemeinschaft aufgenommen" wurde.

Bush und US-Außenministerin Condoleezza Rice trafen am Rande der Feiern Menschenrechtsaktivisten und Kritiker der russischen Regierung. Der US-Präsident habe klargemacht, daß er den "Problemen der Zivilgesellschaft in Rußland große Bedeutung beimißt", sagte Arseni Roginski von der Menschenrechtsgruppe Memorial.

Von jüngsten Mißtönen im Verhältnis von Rußland zu den USA war bei der Feier aber nichts zu spüren. Bei der Parade standen Putin und Bush Seite an Seite. Bei seinem Besuch im Baltikum hatte Bush kürzlich für Mißstimmung gesorgt, als er Rußland mahnte, sich ein Beispiel an den Demokratien Litauen, Lettland und Estland zu nehmen.

Diese Länder - aber auch Polen - hatten jüngst bekräftigt, für sie habe mit dem Kriegsende eine Zeit der sowjetischen Besatzung begonnen, die mit massiver Unterdrückung und dem Verlust von Unabhängigkeit verbunden gewesen sei.

In einer separaten Veranstaltung lobte der Chef der kommunistischen Partei, Gennadi Sjuganow, den russischen Diktator Josef Stalin, dem Millionen zum Opfer fielen, als "großes Staatsoberhaupt".