Über 100 Tote: Sie schossen auf Frauen und Kinder. Sturm auf Schule. Neue Dimension des Terrors

Beslan. Eine Explosion zerstört am Freitagmittag jede Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Geiseldramas von Beslan in Nordossetien. Mitarbeiter des russischen Zivilschutzes wollen gegen 13 Uhr Leichen vom Hof der Schule bergen, in der sich Terroristen mit rund 1200 Kindern, Eltern und Lehrern verschanzt haben. So war es mit ihnen vereinbart. Doch um 13.07 Uhr detoniert eine Granate, dann bricht die Hölle los. Nach Angaben von Augenzeugen und russischem Militär nutzen 40 Schüler den Augenblick zur Flucht. Die Terroristen feuern auf sie, mindestens fünf Kinder sterben dabei - das Zeichen zum Sturmangriff der russischen Spezialeinheiten. Drei Tage nach dem Überfall auf Kinder, die in der Schule von Beslan den Beginn des Schuljahres feiern wollten, endet die Geiselnahme in einem Blutbad.

Minuten nach den ersten Schüssen kreisen Kampfhubschrauber über der Schule. Soldaten dringen in die Gebäude ein, während die Terroristen fortwährend schießen. In dem Chaos gelingt 13 Kidnappern die Flucht in benachbarte Gärten und Wohnhäuser. Im Kugelhagel der Rebellen rennen Frauen und Kinder in Panik halb nackt verletzt aus der Schule. Viele brechen ohnmächtig zusammen. Retter versorgen die befreiten Geiseln, die nichts zu essen und zu trinken bekommen hatten, in notdürftig eingerichteten Hilfslagern. Noch Stunden später liefern sich die russischen Einheiten Gefechte mit flüchtenden Geiselnehmern.

Bis zum Freitagabend wurden 79 Leichen identifiziert, der Krisenstab geht aber von mehr als 150 Toten aus. Ein Großteil von ihnen wurde offenbar vom Dach der Schulturnhalle erschlagen, das zusammenstürzte, nachdem die Elitetruppen ein Loch hineingesprengt hatten. Insgesamt wurden nach vorläufigen offiziellen Angaben mehr als 650 Menschen verletzt, die Hälfte davon Kinder. Genaue Opferzahlen sind indes noch nicht bekannt.

23 Terroristen seien getötet worden. Drei der Kidnapper, darunter angeblich ihr Anführer, wurden im Keller der Schule erschossen. Zehn der Geiselnehmer sind nach Angaben des Inlandsgeheimdienstes FSB arabischer Abstammung. Die übrigen seien Osseten, Inguschen, Tschetschenen und Russen. Angeblich forderten sie den Abzug russischer Truppen aus Tschetschenien sowie die Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen. Nach einer Meldung der Agentur Itar-Tass sollen die Terroristen vom Vertreter der Terrororganisation Al Kaida in Tschetschenien, Abu Omar As-Sejf, finanziert worden sein.

In aller Welt wurde die Nachricht vom blutigen Ausgang des Geiseldramas mit Erschütterung und Empörung aufgenommen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wertete den Anschlag als "eine neue Dimension von Terrorismus" und erklärte: "Hier haben gewissenlose Terroristen versucht, mit der Ermordung von Menschen politische Ziele, die dann eigentlich keine mehr sein können, zu erreichen."

Wie es zu der Eskalation kam, war noch unklar. Aslambek Aslachanow, ein Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin, sagte, der Sturm auf die Schule sei nicht geplant gewesen. Im Gegenteil. Man habe weiter auf Verhandlungen gesetzt. "Es ereignete sich eine Tragödie, wir haben sie nicht erwartet", sagte Aslachanow.