Privatkredit, mehrere Luxusreisen und jetzt Buchwerbung durch den Unternehmer Maschmeyer - dem Bundespräsidenten droht neuer Ärger.

Hannover/Berlin. Es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie, dass das Buch von Christian Wulff ausgerechnet den Titel "Besser die Wahrheit" trägt. Vor allem jetzt, da es neue Vorwürfe an den bereits mit seinem Privatkredit beschäftigten Bundespräsidenten gibt, die genau mit diesem Buch zusammenhängen - und die erneut infrage stellen, ob Wulff sich in der Vergangenheit immer an jene Wahrheit gehalten hat, mit der er in seinem Buch für sich wirbt.

Wieder geht es darum, dass Wulff zu früheren Zeiten von der Großzügigkeit vermögender Freunde profitiert haben soll - im aktuellen Fall vom Unternehmer Carsten Maschmeyer, Gründer des Finanzdienstleisters AWD. Wie die "Bild"-Zeitung berichtete, hat Maschmeyer 2008 eine Anzeigenkampagne für das Buch bezahlt, in dem Wulff in Interview-Form über sein politisches und privates Leben berichtet und mit unter anderem dem er sich im niedersächsischen Landtagswahlkampf dem Wähler präsentiert hat. Mehrere Tausend Exemplare des im Verlag Hoffmann und Campe erschienenen Werks soll die CDU gekauft und zu Werbezwecken verschenkt haben.

42.731 Euro hat Maschmeyer sich die Annoncen in mehreren niedersächsischen Regionalblättern kosten lassen. Er gab an, das Geld stamme aus seinem Privatvermögen und er habe es nicht steuerlich geltend gemacht. Das Geschäft war nach Angaben einer Maschmeyer-Sprecherin zustande gekommen, da der Verlagsleiter von Hoffmann und Campe, Manfred Bissinger, auf den Unternehmer zugekommen war. Eine geschäftliche Beziehung habe es bereits aus der Zeit der Memoiren von Ex-Kanzler Gerhard Schröder gegeben, deren Rechte Maschmeyer 2006 erworben hatte. Laut Bissinger wurden damals verschiedene Unternehmer angesprochen, ob sie sich an der Vermarktung des Buches beteiligen würden. "Das ist in der Verlagsbranche üblich und ein absolut normaler Vorgang", sagte er "Spiegel Online". Wulffs Rechtsanwalt erklärte, dem Bundespräsidenten sei von den Zahlungen nichts bekannt gewesen. Auch Maschmeyer bestätigte seinen Alleingang.

Genau das ist allerdings verwunderlich. Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina gelten mit Maschmeyer und dessen Frau, der Schauspielerin Veronica Ferres, als eng befreundet. Im Sommer 2010 haben sich die Wulffs in einer Anlage Maschmeyers auf Mallorca eingemietet - auch das hatte peinliche Fragen aufgeworfen, denen sich Wulff stellen musste. Auch darüber hinaus ist die Nähe Maschmeyers zur Politik bekannt. Im Niedersachsenwahlkampf 1998 finanzierte er zunächst heimlich eine Werbekampagne, die unter dem Motto stand: "Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein!" Sie förderte Gerhard Schröder (SPD), der seinen damaligen Herausforderer Wulff haushoch besiegte und in der Folge von der SPD anstelle Oskar Lafontaines zum Kanzlerkandidaten nominiert wurde. Zwar ist Hannover traditionsreiche SPD-Hochburg, aber hinter vorgehaltener Hand legen führende Sozialdemokraten Wert auf die Feststellung, sie gehörten nicht zu dem, was einer von ihnen "Klüngel" nennt. Und auch dem neuen Ministerpräsidenten David McAllister wird eine deutliche Distanz nachgesagt zu jenem Netzwerk, in das sein Vorgänger Wulff als Nachfolger des Ministerpräsidenten Gerhard Schröder quasi eingeheiratet hat.

+++ Die Akte Wulff: Es gibt weitere Vorwürfe +++

+++ Bundespräsident Wulff weiterhin im Kreuzfeuer der Kritik +++

+++ Der Bundespräsident und die 500.000-Euro-Frage +++

Für Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sind die neuen Informationen über die Finanzspritze Maschmeyers jedenfalls ein weiterer Grund dafür, warum Wulff für sie massiv an Glaubwürdigkeit verloren hat. Die Zahlung Maschmeyers rieche "sehr nach einer trickreichen Umgehung des Parteispendenrechts". Nach dieser Regelung müssen Spenden über 10 000 Euro an Parteien öffentlich gemacht werden. Da Maschmeyer das Geld an den Verlag und nicht an eine Partei oder an einen Politiker gezahlt hat, ist das Geschäft jedoch juristisch unangreifbar. Künast betonte, sie glaube nicht, dass Wulff von der Geldzahlung nichts gewusst habe. Es gehe hierbei auch um das "System Hannover". Wulff lasse derzeit zu, dass das Amt des Bundespräsidenten fast von einem Amigo-System wie einst in Bayern umgeben sei.

Dass Wulff sich in seiner Zeit als Ministerpräsident von Freunden hat helfen lassen, ist in den letzten Tagen umfassend bekannt geworden. Seit einer Woche steht er wegen eines zinsgünstigen Privatkredits in Höhe von 500 000 Euro in der Kritik, der ihm von der befreundeten Unternehmergattin Edith Geerkens gewährt wurde. Veröffentlicht wurde zudem eine Liste mit Urlauben, die Wulff in privaten Ferienhäusern verbracht hat. Demnach war er 2008 auch bei Ingrid und Wolf-Dieter Baumgartl in Italien zu Gast. Baumgartl war bis 2006 Vorstandschef des Talanx-Versicherungskonzerns in Hannover - er ist einer der wichtigsten Köpfe in der Versicherungsbranche. Genau solche Kontakte sind es, die einen Politiker und einen Bundespräsidenten angreifbar machen. Wer sich zu oft einen Gefallen tun lässt, könnte irgendwann in Verdacht stehen, dafür auch eine Gegenleistung zu erbringen. Wulff ist derzeit überaus angreifbar - auch wenn juristisch alles korrekt war.

Zweifel über die Frage, ob Wulff den Niedersächsischen Landtag getäuscht hat, als er trotz des Privatkredits bei Edith Geerkens eine geschäftliche Beziehung zu Egon Geerkens verneint hat, konnten gestern nicht ausgeräumt werden. Ebenso wenig, ob er mit der Annahme des zinsgünstigen Kredits gegen das Ministergesetz verstoßen hat. Eine gestern anberaumte Sitzung des Ältestenrats wurde in Hannover nach kurzer Zeit abgebrochen. CDU-Fraktionschef Björn Thümler pochte darauf, das Gremium habe gar keine Möglichkeit, sich mit der Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Wulff-Äußerungen zu beschäftigen: "Die Opposition hat sich verrannt und will den Ausschuss missbräuchlich nutzen, es geht darum, dass höchste Staatsamt zu diskreditieren." SPD-Oppositionsführer Stefan Schostok dagegen warnte Wulff: "Der Bundespräsident hat jetzt nur noch ein kleines Zeitfenster, um ausführlich alle Fragen zu beantworten." Die Linksfraktion forderte nach der erfolglosen Sitzung die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses: "Alle Beteiligten müssen aussagen, und zwar unter Eid." SPD und Grüne schließen einen solchen Untersuchungsausschuss nicht aus, betrachten ihn aber als letztes Mittel. Sie drohen auch mit Klagen vor dem Staatsgerichtshof.