Der Druck auf den Bundespräsidenten wächst. Niedersachsens CDU hoffte auf einen “Befreiungsschlag“ in der Weihnachtsansprache.

Berlin/Hannover/Mainz. Bundespräsident Christian Wulff äußert sich in seiner traditionellen Weihnachtsansprache nicht zu den Vorwürfen rund um seine Verbindungen zu befreundeten Unternehmern. Thema der am Mittwochnachmittag im Schloss Bellevue aufgezeichneten Rede sei der Zusammenhalt in der Gesellschaft und in Europa gewesen, erfuhr Reuters von Teilnehmern. Zudem habe Wulff sein Treffen mit Angehörigen der rechtsextremistischen Mordserie erwähnt. Zu den Enthüllungen über einen privaten Hauskredit habe er dagegen nicht Stellung bezogen.

Die Kredit-Affäre um Bundespräsident Christian Wulff zieht immer weitere Kreise: Der Anwalt des damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen bestätigte nun, dass der Osnabrücker Unternehmer Egon Geerkens an den Verhandlungen über das Darlehen seiner Ehefrau an Wulff im Jahr 2008 beteiligt war. SPD-Politiker Edathy vergleicht Wulffs Verhalten mit dem von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Gleichzeitig bekam Wulff demonstrativ Rückhalt aus der schwarz-gelben Koalition. Der niedersächsische SPD-Fraktionschef Stefan Schostok sagte zudem am Mittwoch, es wird vorerst keinen Untersuchungsausschuss im niedersächsischen Landtag zu Wulffs Privatkredit geben.

SPD und Grüne wollen zunächst alle anderen parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen. „Ein solcher Ausschuss ist die Ultima Ratio“, sagte Schostok am Mittwoch in Hannover. Am Dienstag war der Ältestenrat des Landtags in Hannover nicht auf einen Nenner zur Klärung der Vorwürfe gegen Ex-Ministerpräsident Wulff gekommen. Auch ein Gang zum Staatsgerichtshof sei derzeit kein Thema. „Beide Verfahren, Untersuchungsausschuss und Staatsgerichtshof, würden sich über Monate in die Länge ziehen“, sagte Grünen-Sprecher Rudi Zimmeck. Dies könne nicht im Sinne der Beteiligten – auch nicht der Landesregierung und des Bundespräsidenten – sein. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Grünen einen Untersuchungsausschuss kategorisch ausschließen. „Wir prüfen das und warten jetzt erst mal die nächste Landtagssitzung ab. Das Januar-Plenum wird ein Wulff-Plenum.“

+++ Amigo-System holt Präsidenten Christian Wulff ein +++

+++Wulff-Kredit: Egon Geerkens war bei Verhandlungen dabei+++

Einzig die Linke dringt schon jetzt auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. „Wir meinen, dass es mit dem normalen Weg keine Lösungsmöglichkeiten mehr gibt“, sagte die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle. Das Zeitproblem sei sicherlich nicht befriedigend, da Wulff jedoch schweige, „gibt es einfach keine andere Möglichkeit der Aufklärung. Im Ausschuss müssen alle Zeugen unter Eid aussagen.“ Um einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, müssen mindestens 31 der 152 Abgeordneten einen entsprechenden Antrag unterstützen. Linke und Grüne haben zusammen 22 Abgeordnete. Um das Quorum zu erreichen, müssten auch SPD-Parlamentarier zustimmen.

Auch hinsichtlich der von AWD-Gründer Carsten Maschmeyer finanzierten Anzeigen-Kampagne für ein Wulff-Buch ist die niedersächsiche Opposition uneins. Maschmeyer hatte nach eigenen Angaben Anzeigen mit 42 700 Euro finanziert, Wulff darüber aber nicht informiert. Während die Linke auch diese Frage im Untersuchungsausschuss klären will, ist dies für die SPD kein Thema. „Für eine Parteienfinanzierung gibt es derzeit keine Anhaltspunkte“, betonte Schostok. Eine Klage vor dem Staatsgerichtshof sei daher derzeit nicht geplant. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzl sieht dies anders: „Meines Erachtens ist das eindeutig eine Parteispende gewesen. Da sehe ich den Bundestagspräsidenten in der Pflicht, nachzuforschen, ob das auch so im Rechenschaftsbericht der CDU steht“, sagte er am Mittwoch. „Man kann nicht das Parteispendengesetz umgehen, indem man eine Druckerei finanziert.“ Die CDU in Niedersachsen weist eine Parteinspende kategorisch von sich. „Der Betrag kann nicht in unserem Rechenschaftsbericht auftauchen, weil es keine Spende an die Partei war“, sagte Sprecher Torben Stephan. Das Buch sei einzig Sache des Verlages.

Der niedersächsische SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy, der Ende November den Bundespräsidenten auf einer Reise nach Indonesien begleitet hatte, warf Wulff mangelnde Aufklärung vor. Wulff taktiere und mache die Dinge damit schlimmer als sie seien, sagte Edathy im Deutschlandfunk: „Wir haben das bei Herrn zu Guttenberg erlebt: Erst wird dementiert, dann wird behauptet, es gäbe Missverständnisse, das eigene Verhalten des Amtsträgers sei fehlinterpretierbar, dann wird eine Teilentschuldigung vorgenommen. Das ist alles eine Taktik.“ Guttenberg war als Verteidigungsminister zurückgetreten, weil er bei seiner Doktorarbeit von anderen abgeschrieben hatte.

Rückendeckung von Schwarz-Gelb - Empörung bei Transparency International

Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) stärkte dem Bundespräsidenten den Rücken. Er sagte der „Berliner Zeitung“, er habe „volles Vertrauen“ zum Staatsoberhaupt, der „sein Amt hervorragend“ ausübe. Einen Rücktritt Wulffs schloss de Maiziere indirekt aus. Unterstützung erhielt das Staatsoberhaupt auch von den CSU-Politikerinnen Ilse Aigner und Gerda Hasselfeldt. CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ ein Ende der Debatte „aus Respekt vor dem Amt“. Verbraucherministerin Aigner sagte der „Rheinischen Post“, Wulff habe alles offen gelegt: „Das ist das Wichtigste.“

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende in Niedersachsen, Hermann Kues, hofft auf eine Klärung bei der Weihnachtsansprache Wulffs. „Ich gehe davon aus, dass Christian Wulff eine kluge Rede halten und die Dinge offen ansprechen wird“, sagte Kues der „Rheinischen Post“. Dies wäre dann „der Befreiungsschlag und das Ende der Debatte“. Die Vorwürfe gegen das Staatsoberhaupt nähmen inzwischen „bizarre Züge“ an, kritisierte Kues. Die Weihnachtsansprache sollte am Mittwoch aufgezeichnet werden.

Die Anti-Korruptions-Vereinigung Transparency International dagegen zeigte sich empört. „Wäre Herr Wulff ein Oberamtsrat, würde man ihm das, was jetzt bekannt ist, als bösen Anschein auslegen und eine Untersuchung anstrengen“, sagte die Vorsitzende Edda Müller im rbb-Inforadio. Ein kleiner Beamter müsse beim bloßen Verdacht der Vorteilsnahme Konsequenzen befürchten. Der konservative Kölner Kardinal Joachim Meißner rückte den Bundespräsidenten in einer Fernsehsendung des WDR laut Medienberichten in die Nähe eines „armen Sünders“. Er beneide ihn nicht darum, in dieser Situation die Weihnachtsansprache zu halten: „Ich würde ihm das nicht raten.“ Plan war, die Ansprache am Mittwoch aufzuzeichnen.

Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hofft auf ein klärendes persönliches Wort des Staatsoberhaupts. „Ich kann Herrn Wulff nur raten, jetzt alles, was irgendwie Anlass zur Kritik bieten könnte, durch eine persönliche öffentliche Erklärung klarzustellen“, sagte Beck am Mittwoch in Mainz. Das Amt des Staatsoberhauptes sei zu bedeutend und von der Person nicht zu trennen. Deshalb habe er „immer noch die Hoffnung, dass der Bundespräsident den Knoten durchschlägt“, fügte Beck hinzu.

In der Bevölkerung verliert der Bundespräsident nach Umfragen zwar drastisch an Ansehen. Einen Rücktritt fordern aber die wenigsten. Einer Forsa-Umfrage für das Magazin „Stern„ zufolge hat Wulff bei 31 Prozent an Ansehen verloren. Einen Rücktritt lehne eine große Mehrheit von 79 Prozent aber ab. Die „Bild“-Zeitung berichtete von einer Umfrage des Instituts YouGov, wonach 56 Prozent der Befragten gesagt hätten, Wulff habe für sie „stark“ an Glaubwürdigkeit verloren.

Geerkens beriet auch bei der Immobiliensuche

Egon Geerkens beriet seinerzeit Wulff auch bei der Auswahl des Hauses, für dessen Kauf sich Wulff später Geld bei Geerkens' Frau lieh. „Die Modalitäten wurden gemeinsam besprochen, das Darlehen von Frau Edith Geerkens gewährt“, heißt es in der Stellungnahme des Wulff-Anwaltes Gernot Lehr, die am Mittwoch auch Reuters vorlag. Der Anwalt bestätigte damit Tage später eine Darstellung, über die das Magazin „Der Spiegel“ bereits vorige Woche aufgrund von Geerkens-Aussagen berichtet hatte.

Wulff steht in der Kritik, weil er 2010 vor dem Landtag in Hannover versichert hatte, er habe keine geschäftlichen Beziehungen zum Unternehmer Geerkens. Den zinsgünstigen 500.000-Euro-Kredit der Ehefrau erwähnte er nicht. Am Wochenende hatte er offen gelegt, dass er als Ministerpräsident mehrfach den Urlaub in Feriendomizilen von Unternehmern verbrachte. Auch als Bundespräsident hatte Wulff in der vergangenen Woche wiederholt, er habe keine geschäftlichen Beziehungen zu Egon Geerkens unterhalten.

„Der Darlehensgewährung vorausgegangen war die Suche des Ehepaars Wulff nach einer geeigneten Immobilie“, schrieb sein Anwalt Lehr nun. „Hierin war Herr Egon Geerkens aufgrund seines besonderen Sachverstands und der freundschaftlichen Beziehungen eingebunden. In diesem Zusammenhang ging die Initiative für ein Privatdarlehen von Frau Edith Geerkens aus.“

Wie der „Stern“ berichtet, versicherten Wulffs Anwälte auch, dieser habe im Umgang mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Hannoveraner Verscherungskonzerns Talanx, Wolf-Dieter Baumgartl, Dienstliches und Privates „immer klar getrennt“. Wulff und seine Frau hatten im März 2008 eine Woche Urlaub in Baumgartls Villa in der Toskana gemacht. Wulff habe sich in der Vergangenheit für den Konzern politisch eingesetzt, schreibt das Magazin – etwa 2004 beim Alterseinkünftegesetz, das Interessen von Lebensversicherern wie Talanx berührt habe.

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim verwies laut „Stern“ auf einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Wulffs Hauskauf am 1. Oktober 2008, dem am 25. Oktober gewährten Kredit und einer Reise nach China und Indien ab dem 2. Oktober, bei der sich Wulff auch von Egon Geerkens habe begleiten lassen.

Mit Material von dpa/dapd/reuters