Die Irritationen über den Abzugstermin aus Afghanistan scheinen beigelegt. Die Empörung über den Amoklauf des US-Soldaten hält an.

Berlin/Kabul/Washington. Afghanistans Präsident Hamid Karsai vermutet hinter dem Amoklauf eines US-Soldaten vom Wochenende eine „wohlüberlegte und vorsätzliche“ Aktion. Daran sei nicht nur ein Soldat allein beteiligt gewesen, sagte Karsai am Freitag ohne nähere Erläuterung, wie der Lokalsender „Ariana TV“ berichtete. Karsai warf den USA eine schlechte Zusammenarbeit bei der Aufklärung der Bluttat vor, der 16 Zivilisten zum Opfer gefallen waren. Die Tat hatte für große Empörung im Land gesorgt.

In einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama zeigte sich Karsai zugleich einig über den Abzugstermin für die ausländischen Truppen aus Afghanistan, wie das Weiße Haus mitteilte. Nach den jüngsten Irritationen bekräftigten beide Politiker in einem Telefonat am Freitag den Termin 2014. Bis dahin solle die volle Verantwortung für die Sicherheit am Hindukusch in die Hände afghanischer Truppen gelegt werden. Beim Absturz eines türkischen Militärhubschraubers kamen in Kabul 14 Menschen ums Leben.

Die Bundesregierung sicherte zu, den verabredeten Zeitplan für einen Abzug aus Afghanistan mit dem Zieldatum 2014 strikt einzuhalten. Es gelte, was international und auch mit der afghanischen Seite verabredet worden sei, unterstrich Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Nach dem Unmut in Afghanistan über die Verbrennung von Koranschriften durch amerikanische Militärs und den Amoklauf des US-Soldaten hatte Karsai einen Abzug der internationalen Truppen schon vor 2014 ins Gespräch gebracht.

US-Soldat tötet bei Amoklauf afghanische Zivilisten

Obama beugt sich Karsai in Fragen zu Abzug

Beim Sturz des türkischen Hubschraubers in ein Wohnhaus wurden am Freitag in der afghanischen Hauptstadt zwölf türkische Soldaten und zwei afghanische Mädchen getötet. Anzeichen dafür, dass der Helikopter von den Taliban abgeschossen worden sein könnte, gab es nach Erkenntnissen des türkischen Militärs und der Internationalen Schutztruppe Isaf nicht. Für die Türkei war es der schwerste Verlust seit Beginn des Einsatzes am Hindukusch.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erläuterte, nach den Verabredungen solle die Verantwortung für die Einrichtungen in Afghanistan bis 2013 übergeben werden. Danach bedürfe es weiterer 12 bis 18 Monate, um die deutschen Einheiten völlig abzuziehen. Die Mehrheit der Deutschen ist einer Umfrage zufolge für einen rascheren Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan als bisher geplant. 57 Prozent plädieren für einen Abzug vor 2014. Ein Viertel (26 Prozent) würde laut ARD-„Deutschlandtrend“ am vereinbarten Termin 2014 festhalten wollen. 12 Prozent sprachen sich für einen späteren Termin aus.

Der frühere UN-Sondergesandte für Afghanistan, Tom Koenigs, befürwortete einen Abzug aus Afghanistan bereits 2013. „Es ist möglich. Wenn die Afghanen sich das zutrauen, sollte man dem folgen“, sagte der Grünen-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“. Die jüngsten Ereignisse hätten den Wert der internationalen Truppen gemindert. „Die Leute haben kein Vertrauen mehr.“ Zu den Umständen des Amoklaufs des US-Soldaten kommen unterdessen weitere Details ans Licht. „Am Ende wird es eine Kombination aus Stress, Alkohol und häuslichen Problemen sein, er ist einfach ausgerastet“, zitierte die „New York Times“ einen hohen US-Regierungsbeamten. Sein Anwalt John Henry Browne sieht die Schuld dagegen aufseiten der Regierung.

Der 38-Jährige sei zweimal im Irak verwundet worden, „und er war sich nicht sicher, ob er gesund genug war, um wieder eingesetzt zu werden“. Der Amokläufer, der zunächst auf eine US-Militärbasis nach Kuwait gebracht worden ist, befand sich laut US-Nachrichtensender CNN am Freitag auf dem Weg in die USA. Karsai kritisierte diese Entscheidung der Amerikaner. Der Täter müsse in Afghanistan verurteilt werden, forderte der Präsident.

(dpa/abendblatt.de)