Nach der Koranverbrennung von Soldaten gab es blutige Proteste. Nun hat ein US-Soldat vermutlich bis zu 15 afghanische Zivilisten erschossen.

Kabul/Balandi. Ein US-Soldat ist am Sonntagmorgen offenbar Amok gelaufen. In dem südafghanischen Dorf im Distrikt Pandschwai soll der Soldat "10 bis 15 Zivilisten" getötet haben. Dies teilte der Sprecher der Provinzregierung mit. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AP sah in dem Dorf Alkosai 15 Leichen, bei denen es sich um die Opfer handeln soll.

Der Gouverneur der Provinz Kandahar, Turjalai Wesa, erklärte, es habe Tote und Verwundete gegeben. Genaue Zahlen nannte er nicht. "Es wurde einige Menschen getötet und einige verletzt. Allerdings kenne ich keine Einzelheiten“, sagte Wesa. Sein Büro sandte eine Delegation nach Alkosai, um den Vorfall zu untersuchen. Ein Nato-Sprecher wollte zunächst nur mehrere Verwundete, aber keine Toten bestätigen.

Der mutmaßliche Täter wurde nach Nato-Angaben festgenommen, die näheren Umstände des Vorfalls waren aber noch unklar.

Ein afghanischer Reporter, der anonym bleiben wollte, sprach von mindestens 16 Toten. "Es sieht so aus, als ob er (der US-Soldat) von Haus zu Haus gegangen ist und sie (die Bewohner) kaltblütig erschossen hat“, sagte er nach einem Besuch des Tatorts. Nach dem Vorfall hätten sich zahlreiche Menschen vor dem US-Stützpunkt versammelt, um gegen die Ermordung der Dorfbewohner zu protestieren.

Wie aus westlichen Sicherheitskreisen verlautete, verließ der US-Soldat vor Sonnenaufgang seinen Stützpunkt. In einem Dorf sei er dann in mehrere Häuser eingedrungen und habe die Bewohner erschossen. Anschließend habe er sich gestellt. Den Angaben zufolge soll der Soldat unter psychischen Problemen gelitten haben. Die BBC berichtete, es soll sich um einen Unteroffizier einer Spezialeinheit handeln. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.

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Die Verletzten würden in einem Lazarett der Nato behandelt, hieß es. In einer Stellungnahme teilte die Nato ihr Bedauern über den Vorfall sowie ihre Anteilnahme für die betroffenen Familien mit. Auch die US-Botschaft in Kabul verurteilte die Tat und versprach, den Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der mutmaßliche Täter befinde sich in Gewahrsam der internationalen Truppen. Der Stützpunkt, in dem der US-Soldat stationiert war, liegt rund 500 Meter von dem Dorf entfernt.

Ein Bewohner von Alkosai sagte einem Reporter der Nachrichtenagentur AP, es seien 16 Menschen getötet worden, als der US-Soldat in drei Häuser eingedrungen sei und das Feuer eröffnet habe. Er selbst habe die Leichen nicht gesehen, sagte der Bewohner Abdul Baki. Allerdings habe er mit Familienangehörigen der Toten gesprochen. "Ich habe Schüsse gehört, anschließend Stille, und dann wieder Schüsse“, sagte Baki.

Die Tötung afghanischer Zivilisten durch ausländische Soldaten sorgt immer wieder für erheblichen Spannungen zwischen der Isaf und der Regierung in Kabul. In den vergangenen Wochen hatte zudem die Verbrennung von Koran-Exemplaren durch US-Soldaten auf dem Stützpunkt Bagram im ganzen Land tagelange Massenproteste ausgelöst. Dabei waren rund 30 Afghanen getötet worden.

(dpa/dapd/abendblatt.de)