Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat das Länderspiel-Jahr 2011 mit einem glanzvollen 3:0 gegen Vize-Weltmeister Niederlande abgeschlossen und sich dank eines magischen Dreiecks noch mehr in die Favoritenrolle für die EURO 2012 gespielt.

Hamburg. Traum-Tore, Zauber-Fußball und ein magisches Dreieck: Nach der beeindruckenden Lehrstunde für Vize-Weltmeister Niederlande hat sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft endgültig in die Favoritenrolle bei der EURO 2012 gespielt. Selbst Perfektionist Joachim Löw hatte nach der Gala gegen den Erzrivalen zum Jahresabschluss nichts auszusetzen, warnte aber bei aller Freude über das glanzvolle 3:0 (2:0) auch vor allzu großer Euphorie bei der Titel-Mission.

„Diesmal waren wir besser, das muss aber in einem halben Jahr nicht genauso sein. Wenn die EM morgen losgehen würde, wäre ich natürlich froh, dann wären wir in einer klasse Verfassung. Bei einem Turnier braucht man aber drei, vier Wochen diese Form“, sagte der Bundestrainer nach seinem 75. Länderspiel.

Auch seine Stars blieben trotz aller Lobeshymnen und einer erneut überzeugenden Vorstellungen 206 Tage vor dem EM-Start auf dem Teppich. „Es war ein großer Sieg gegen einen großen Gegner. Es war aber nur ein Freundschaftsspiel. Ich warne davor, jetzt schon zu euphorisch zu sein. Wir müssen diese Leistung erst noch bestätigen“, betonte der erneut sehr starke Toni Kroos.

Holger Badstuber pflichtete seinem Kollegen von Bayern München mit Nachdruck bei: „Für das Selbstbewusstsein war dieser Sieg unheimlich wichtig. Wir haben mit Blick auf die EURO ein Ausrufezeichen gesetzt. Wir wissen aber auch, dass es bei der EM noch einmal ganz anders zur Sache gehen wird.“

Allerdings zeigte die DFB-Auswahl um das magische Dreieck Miroslav Klose, Mesut Özil und Thomas Müller einmal mehr, „welch großes Potenzial in uns steckt“, wie Lukas Podolski anmerkte. Nach Argentinien und England bei der WM 2010 sowie Brasilien im August hat der dreimalige Welt- und Europameister erneut einen Großen schlagen können.

„Das bringt natürlich schon Freude und Befriedigung, wenn man sich mit den Besten messen kann und merkt, dass man spielerisch Akzente setzen kann. Das gibt Selbstvertrauen und ist eine Bestätigung, dass man auf einem guten Weg ist“, sagte Löw, der nicht nur mit dem Spiel gegen die Niederländer, „sondern mit dem ganzen Jahr sehr zufrieden war. Unsere Entwicklung ist sehr gut. Wir haben Konstanz gezeigt.“

Vor allem aber einmal mehr eine enorme spielerische Klasse. „Deutschland ist unglaublich stark beim Umschalten. Das konnten sie früher schon, aber jetzt können sie auch Fußballspielen. Das ist eine sehr starke Mannschaft, sie haben viel mehr Potenzial als wir“, lobte Oranje-Coach Bert van Marwijk den klar überlegenen Konkurrenten fast überschwänglich: „Deutschland gehört sicher zu den Topfavoriten bei der EM.“

In dieser Form auf jeden Fall. Was Özil, Müller, Klose, Kroos oder ein Sami Khedira in Hamburg den 51.500 Zuschauern zeigten, war teilweise Fußball vom Allerfeinsten. Löw sprach von „unglaublicher Spielfreude, womit die Holländer einige Male überfordert waren“. Man habe zeigen wollen, „dass mit uns zu rechnen ist“, ergänzte Kroos.

Alleine das 3:0 durch Özil (66.) nach Traum-Kombination mit Müller und Klose war das Eintrittsgeld wert. Aber auch das 1:0 durch Müller (15./Vorlage Klose) und das 2:0 durch Klose (25./Flanke Özil) waren sehenswert.

„Wenn man sich die Tore anschaut, weiß man gar nicht, welches schöner war. Das war eine überragende Leistung“, sagte Müller, für den das aber „nicht allzu überraschend“ kam: „Dass wir dieses Potenzial haben, hat man vorher gesehen. Aber gegen so einen großen Gegner war das schon beeindruckend.“

So beeindruckend, dass Löw sieben Monate vor EM-Beginn einige Luxusprobleme hat. Vor allem im Mittelfeld hat er die Qual der Wahl, zumal er noch einen Bastian Schweinsteiger in der Hinterhand hat. Im Angriff konnte es sich Löw zudem einmal mehr erlauben, den derzeit besten deutschen Torjäger, Mario Gomez, 90 Minuten auf der Bank sitzen zu lassen - aus Schonungsgründen, wie Löw erklärte.

Dies nutzte Klose zu einer erneut beeindruckenden Vorstellung im DFB-Dress. Mit nunmehr 63 Toren in 113 Länderspielen rückt der Italien-Legionär von Lazio Rom nicht nur Gerd Müller immer näher, er festigte auch seinen Platz im deutschen Angriff. „Ich kann mich an kein Spiel erinnern, wo er seine Klasse nicht unter Beweis gestellt hat. Wir haben ihn gerne als Kombinationsspieler“, lobte Müller.

Klose selbst blieb wie immer zurückhaltend. Das Spiel habe „viel Spaß gemacht“. Man habe zuletzt aber schon gesehen, „dass mich Mario eins zu eins ersetzen kann. Es gibt diesen Konkurrenzkampf, aber nicht nur im Sturm.“

Dass sein Team derart dominant auftritt, scheint Löw nicht zu überraschen. Das sei ihm nicht unheimlich, „wir haben Jahre darauf hingearbeitet. Es war unser Ziel, besser und konstanter zu werden. Man kann heute die guten Mannschaften nur schlagen, wenn man spielerisch besser wird, nicht mit Aggressivität.“

Am 2. Dezember findet in Kiew die Auslosung der EM-Gruppen statt. Das DFB-Team befindet sich in Topf zwei und kann schon in der Vorrunde auf Welt- und Europameister Spanien oder die Niederlande treffen. Doch auch eine derartige Konstellation bringt Löw derzeit nicht aus der Ruhe: „Ich bin genauso gelassen wie vor dem Spiel. Wir wissen, dass alles möglich ist. Das müssen wir so annehmen.“

Die Statistik

Deutschland: Neuer/Bayern München (25 Jahre/25 Länderspiele) - Boateng/Bayern München (23/19) ab 65. Höwedes/Schalke 04 (23/6), Mertesacker/FC Arsenal (27/79), Badstuber/Bayern München (22/18) ab 46. Hummels/Borussia Dortmund (22/12), Aogo/Hamburger SV (24/9) - Kroos/Bayern München (21/24) ab 82. Rolfes/Bayer Leverkusen (29/26), Khedira/Real Madrid (24/24) ab 88. Lars Bender/Bayer Leverkusen (22/3) - Müller/Bayern München (22/25), Özil/Real Madrid (23/30), Podolski (26/95) ab 65. Götze/Borussia Dortmund (19/12) - Klose/Lazio Rom (33/113) ab 81. Reus/Borussia Mönchengladbach (22/3). - Trainer: Löw

Niederlande: Stekelenburg/AS Rom (29/44) - van der Wiel/Ajax Amsterdam (23/29), Heitinga/FC Everton (28/74), Mathijsen/FC Malaga (31/78), Braafheid/1899 Hoffenheim (28/10) - van Bommel/AC Mailand (34/73), Strootman/PSV Eindhoven (21/10) ab 64. Nigel de Jong/Manchester City (26/56) - Kuyt/FC Liverpool (31/84) ab 87. Wijnaldum/PSV Eindhoven (21/2), Sneijder/Inter Mailand (27/80) ab 87. Luuk de Jong/Twente Enschede (21/6), 11 Babel/1899 Hoffenheim (24/42) - 9 Huntelaar/Schalke 04 (28/49) ab 76. Beerens/AZ Alkmaar (23/2). - Trainer: van Marwijk

Schiedsrichter: Cüneyt Cakir (Türkei)

Tore: 1:0 Müller (15.), 2:0 Klose (25), 3:0 Özil (66.)

Zuschauer: 51.500 (ausverkauft)

Beste Spieler: Klose, Özil, Müller, Kroos - Babel, Sneijder

Gelbe Karten: Klose - Sneijder

Torschüsse: 15:10

Ecken: 2:3

Ballbesitz: 50:50 Prozent

Fouls: 12:13