Neben dem HSV-Profi stehen beim Duell zwischen Deutschland und den Niederlanden auch vier ehemalige Hamburger auf dem Rasen.

Hamburg. Dennis Aogo wusste ganz genau, dass ihm diese Frage vor dem Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen die Niederlande in der Imtech-Arena (Di., 20.45 Uhr/ZDF) früher oder später gestellt werden würde. "Natürlich ist es für mich ein ganz besonderes Spiel", versuchte der Hamburger gar nicht erst, die Bedeutung der Partie künstlich kleinzureden, was aber weniger daran lag, dass er acht Karten für die Familie und Freunde organisieren musste. "So ein Prestigeduell im eigenen Stadion findet schließlich nicht jede Woche statt, und dann auch noch mit so vielen alten Bekannten."

Tatsächlich erinnert das morgige Aufeinandertreffen der beiden Fußball-Schwergewichte mehr an ein großes HSV-Klassentreffen. Neben Aogo machen sich mit Jerome Boateng (Bayern München) auf der einen und Nigel de Jong (Manchester City), Joris Mathijsen (FC Málaga) sowie Khalid Boulahrouz (VfB Stuttgart) auf der anderen Seite immerhin noch vier weitere Ex-Hamburger Hoffnungen auf einen Einsatz an alter Wirkungsstätte. Den nicht nominierten Heiko Westermann, Marcell Jansen und Jeffrey Bruma bleibt nur ein Platz auf der Tribüne, den Ex-HSVern Ruud van Nistelrooy, Eljero Elia und Rafael van der Vaart, der wegen einer Oberschenkelverletzung ausfällt (siehe Bericht unten), sogar nur ein Platz vor dem Fernseher.

Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass auf Aogo ausgerechnet in Hamburg das für ihn wahrscheinlich wichtigste Länderspiel des Jahres wartet. Dort, wo der 24-Jährige alle zwei Wochen mit dem HSV in der Bundesliga antritt, will Aogo nicht mehr und nicht weniger, als sich nachhaltig als offizieller Vertreter von Linksverteidiger Philipp Lahm bei der Europameisterschaft im kommenden Sommer zu empfehlen. "Ich will die Rolle des Back-ups ausüben. Wenn etwas passiert, bin ich da." Um sich langfristig gegen Konkurrent Marcel Schmelzer (Dortmund), der im Zweikampf gegen Aogo in Löws Gunst die Nase vorn haben soll, durchzusetzen, braucht der gebürtige Karlsruher unbedingt ein Erfolgserlebnis im Nationalmannschaftstrikot. Klar ist, dass Löw nur einen der beiden Linksverteidiger als Lahm-Ersatz zur EM mitnehmen wird.

Ursprünglich hatte Löw angekündigt, sowohl den Dortmunder als auch Aogo jeweils eine Partie in dieser Länderspielwoche spielen zu lassen. Da aber Schmelzer aufgrund einer Wadenzerrung absagen musste, darf Aogo nun sogar zweimal ran. Seine erste Chance ließ er am Freitag gegen die Ukraine allerdings ungenutzt, als er vor der Dreierkette (siehe unten) im linken Mittelfeld keine Pluspunkte sammeln konnte.

Gegen die Niederlande darf der ehrgeizige Hamburger auf seiner Stammposition links in der Abwehr nun zeigen, dass er es besser kann. Öffentlich will der Bundestrainer Aogo allerdings keinen zusätzlichen Druck machen, da sich der WM-Teilnehmer ohnehin viel zu sehr selbst unter Druck setzt. "Ich weiß, dass ich in der Öffentlichkeit derzeit kritisch beäugt werde", sagt der 24-Jährige, "aber ich habe nach dem Ukraine-Spiel mit dem Bundestrainer gesprochen, er war zufrieden mit mir, auch wenn ich noch das eine oder andere verbessern kann. Ich will jetzt gegen die Niederlande noch besser umsetzen, was der Trainer mir vorgibt."

Ganz entspannt sieht dagegen Boateng, der sogar 14 Karten für Freunde beim DFB orderte, seiner Rückkehr in sein ehemaliges Stadion entgegen. "Am meisten freue ich mich auf ein Wiedersehen mit Nigel", sagt der Bayern-Profi, der mit seinem früheren HSV-Kollegen im vergangenen Jahr auch bei Manchester City zusammenspielte. Er telefoniere auch noch immer häufig mit de Jong, mit Mathijsen und Boulahrouz habe er dagegen keinen regelmäßigen Kontakt. "Gegen die Niederlande kann man aber trotz der ganzen Bekanntschaften nicht von einem Freundschaftsspiel sprechen", stellt Boateng unmissverständlich klar.

Im Gegensatz zu Aogo dürfte der Abwehrallrounder seine EM-Nominierung bereits sicher haben. Bundestrainer Löw schätzt besonders die Vielseitigkeit des 23-Jährigen, der sowohl im Abwehrzentrum als auch als Rechtsverteidiger spielen kann. Trotzdem konnte sich Boateng auch zwei Jahre nach seinem Länderspieldebüt gegen Russland noch immer keinen Stammplatz in der DFB-Auswahl erkämpfen. In der Innenverteidigung sind Per Mertesacker, Mats Hummels und Holger Badstuber die Hauptkonkurrenten, auf der rechten Abwehrseite gilt Schalkes Benedikt Höwedes als größter Konkurrent.

Ebenfalls eingeladen fühlen zum Klassentreffen der Ehemaligen darf sich - zumindest als Ehrengast - Oliver Bierhoff, der 1988 und 1989 insgesamt 34 Bundesligaspiele für den HSV absolvierte (sechs Tore). Nur zu gut konnte sich der Teammanager des DFB gestern an die hasserfüllten Spiele zwischen Deutschland und den Niederlanden erinnern: "In den 80er-Jahren war das fast wie Krieg", wählte Bierhoff martialische Worte, "damals wurden regelrechte Feindbilder aufgebaut, sowohl in den Fanlagern als auch innerhalb der beiden Teams." Doch nachdem die Spieler in den vergangenen Jahren häufiger in der Champions League aufeinandertrafen oder sogar das gleiche Trikot trugen, habe sich zuletzt eine normalere Rivalität entwickelt.

Von einem harmlosen Freundschaftskick wollte Bierhoff dennoch nichts wissen: "Gegen die Niederlande ist ein Sieg doppelt so schön, das ist ein Prestigegegner. Ich erwarte ein schnelles, athletisches, attraktives Spiel - und einen guten Jahresabschluss."