Ein Kommentar von Kai Schiller

Natürlich wird das gerade fertiggestellte Olympiysky-Stadion heute Abend in Kiew ausverkauft sein. Und natürlich werden die Stimmung beim Länderspiel der Ukraine gegen Deutschland grandios, die Bilder beeindruckend und das Fazit überschwänglich positiv sein. Sieben Monate vor der EM, das dürfte die Quintessenz des heutigen Abends sein, ist die Ukraine bereit, gemeinsam mit Polen eine der weltweit bedeutendsten Sportveranstaltungen auszutragen.

Ob die ehemalige Sowjetrepublik aber tatsächlich die Ausrichtung dieses einzigartigen Großereignisses verdient hat, wird man frühestens nach der Europameisterschaft im kommenden Sommer wissen. Die Meldungen, die man in den vergangenen Monaten aus der Ukraine vernommen hat, lassen zumindest Zweifel aufkommen. Dabei sind weder der verzögerte Stadionbau und die fehlende Infrastruktur noch das massive Hooligan-Problem gemeint. Denn sieben Jahre nach der Orangenen Revolution ist nur wenig von den damaligen Wünschen und Träumen der Ukrainer übrig geblieben. Die Hoffnung, dass die Fußball-EM das Land auf seinem Weg zu mehr Demokratie unterstützen könnte, ist bislang nicht aufgegangen. Ganz im Gegenteil.

Und trotzdem ist es noch zu früh, die Vergabe der EM an die Ukraine als Fehler zu kritisieren. Sollte das Turnier im Sommer, bei dem Tausende Fans aus ganz Europa erwartet werden, für eine weitere Öffnung des Landes sorgen, hat sich das Risiko gelohnt. In Kiew, Lwiw, Charkow und Donezk steht im Sommer jedenfalls mehr auf dem Spiel als nur Fußball.