Für die Elf von Bundestrainer Löw ist das Spiel gegen die Ukraine ein Schnuppertag in dem Stadion, wo in 233 Tagen das Endspiel steigt.

KIEWHAMBURG. „Männer“, wird Joachim Löw in der Mannschaftssitzung wohl mit Nachdruck sagen, „hierher wollen wir auch am 1. Juli 2012!“ In 233 Tagen findet im neuen Olympiastadion von Kiew das EM-Endspiel statt - für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft auf ihrer Titel-Mission das Traumziel schlechthin. Am Freitag (20.45 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) will sich die DFB-Auswahl beim Länderspiel gegen die Ukraine einen ersten Eindruck von der Final-Arena und der Atmosphäre vor Ort verschaffen. Schon beim Abschlusstraining am Donnerstagabend konnten die DFB-Stars erstmals Endspiel-Luft schnuppern.

„Natürlich ist das in der Besprechung ein kurzes Thema, dass wir an jenem Ort spielen, an dem im kommenden Sommer das EM-Endspiel stattfindet. Also da, wo wir hinwollen - egal, gegen wen wir dann spielen“, sagte Löw vor dem Abflug des Lufthansa-Sonderflugs LH 3580 am Donnerstagmittag von Hamburg in die ukrainische Metropole. „Wir wollen mit einem guten Auftritt Sympathien für die EM gewinnen“, fügte Teammanager Oliver Bierhoff mit Blick auf die EM 2012 in Polen und der Ukraine an.

Eines ist allerdings sicher: Die deutsche Mannschaft wird in gut sieben Monaten, sollte sie wirklich das Finale erreichen, ein anderes Gesicht haben. Der Bundestrainer nutzt das vorletzte Länderspiel des Jahres in Abwesenheit der Kapitäne Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger sowie von Stammtorwart Manuel Neuer und Torjäger Miroslav Klose zu einigen Experimenten.

So wird nicht nur das neue EM-Trikot seine Premiere feiern, sondern auch das „Zauber-Duo“ Mesut Özil und Mario Götze. Wobei der bei Real Madrid beschäftigte Özil laut Löw den etwas offensiveren Part der beiden hochbegabten Spielmacher übernehmen soll. Zudem wird Ron-Robert Zieler von Hannover 96 im Tor zu seinem Debüt in der Nationalelf kommen.

Dagegen musste Löw den geplanten Versuch mit zwei Spitzen durch den verletzungsbedingten Ausfall von Klose streichen. Wie schon zuletzt in der EM-Quali wird der Münchner Mario Gomez alleine stürmen. Für den Torjäger des FC Bayern, der sich in einer glänzenden Form befindet, ist es deshalb in seinem 50. Länderspiel eine große Chance, im Zweikampf mit Klose weitere Pluspunkte zu sammeln.

Klose soll aber wie der erkrankte Gladbacher Marco Reus am Sonnabend in Hamburg zur Mannschaft stoßen. Möglicherweise wird Löw dann im Prestige-Duell am kommenden Dienstag (20.45 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) gegen Vize-Weltmeister Niederlande Klose und Gomez in einem 4-4-2-System testen. Abwarten, meinte er lapidar.

Auch über weitere Details seiner Startformation in der Ukraine wollte sich der DFB-Coach nicht weiter auslassen - alles ist möglich. So wird in der Abwehr eventuell der Wolfsburger Christian Träsch auf der rechten Seite eine weitere Bewährungschance erhalten. Alternativen wären Benedikt Höwedes und Jerome Boateng. In der Innenverteidigung könnten Mats Hummels und Holger Badstuber zum Einsatz kommen. Für Routinier Per Mertesacker bliebe nur ein Platz auf der Bank. In Abwesenheit von Lahm, der geschont wird, kämpfen auf der linken Seite der einzige Hamburger Dennis Aogo und Marcel Schmelzer um den Platz.

Im Mittelfeld wird vor der Abwehr wohl Sami Khedira von Real Madrid zum Einsatz kommen. Auch Lukas Podolski dürfte beginnen. Der Kölner wird dann in seinem 94. Länderspiel auch die Kapitänsbinde tragen. Bei der Besetzung des letzten freien Platzes im Mittelfeld muss sich Löw zwischen den Münchnern Toni Kroos und Thomas Müller entscheiden.

Ungeachtet aller Planspiele und Experimente wünscht sich Löw, „dass wir ein erfolgreiches Jahr positiv abschließen“. Es sei zudem „wichtig, dass wir nach unserem Spiel in Danzig gegen Polen auch einmal in der Ukraine zu Gast sind, um damit Erfahrungen im Land der beiden EM-Gastgeber gesammelt zu haben“. Bierhoff sieht indes für die vielen jungen Spieler „noch einmal eine gute Gelegenheit, sich in den Vordergrund zu spielen“.

Nach der perfekten EM-Qualifikation mit zehn Siegen aus zehn Spielen hatte Löw in den letzten Tagen vor „Größenwahn“ gewarnt. Khedira gibt seinem Coach uneingeschränkt Recht, wie er in einem Interview mit der Welt betonte: „Wir dürfen nicht den Fehler machen und uns auf der guten EM-Qualifikation ausruhen. Wir müssen weiter hart arbeiten und das System verfeinern.“

Natürlich spielten in Gesprächen mit seinen spanischen Kollegen von Real Madrid die EM und ein mögliches Duell zwischen den stärksten europäischen Teams eine Rolle. Da gebe es schon Sticheleien, erzählt Khedira: „Und wenn es dann wirklich zum Duell mit Spanien kommt, werden wir ja sehen, wer es gewinnt. Wir wissen die Spanier einzuschätzen und sie uns auch. Der Respekt vor uns ist groß.“

Doch zunächst einmal sind die Ukraine und die Niederlande das Thema. „Für uns gibt es keine Freundschaftsspiele, deshalb wollen wir auch beide Spiele gewinnen. Nur weil wir die EM-Qualifikation geschafft haben, heißt das nicht, dass wir jetzt locker lassen“, versprach Toni Kroos.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Ukraine: Rybka/Schachtjor Donezk (24 Jahre/1 Länderspiel) - Butko/Illitschiwets Marijupol (20/4), Rakytskij/Schachtjor Donezk (22/12), Kucher/Schachtjor Donezk (29/26), Selin/Worskla Poltawa (23/2) - Konopljanka/Dnjepr Dnjepropetrowsk (22/13), Rotan/Dnjepr Dnjepropetrowsk (30/54), Timoschtschuk/Bayern München (32/111), Jarmolenko/Dynamo Kiew (22/15) - Bezus/Worskla Poltawa (21/0) - Milewskij/Dynamo Kiew (26/40). - Trainer: Blochin

Deutschland: Zieler/Hannover 96 (22 Jahre/0 Länderspiele) - Träsch/VfL Wolfsburg (24/9), Hummels/Borussia Dortmund (22/10), Badstuber/Bayern München (22/16), Aogo/Hamburger SV (24/7) - Khedira/Real Madrid (24/22), Kroos/Bayern München (21/22) oder Müller/Bayern/München (22/23) - Götze/Borussia Dortmund (19/10), Özil/Real Madrid (23/28), Podolski/1. FC Köln (26/93) - Gomez/Bayern München (26/49). - Trainer: Löw