Mit einem Spezialisten-Netzwerk wollen Ärzte und die DAK die Frühgeburtenrate in Hamburg um zehn Prozent senken

Hamburg. Lynn und Luca haben ihren vorzeitigen Start ins Leben gut überstanden. Fünf Wochen vor dem errechneten Geburtstermin kamen die Zwillinge zur Welt. Jetzt sind sie fünf Tage alt und schlafen friedlich in ihrem Brutkasten auf der Neugeborenen-Intensivstation im Katholischen Marienkrankenhaus in Hamburg. Doch nicht alle Frühstarts ins Leben verlaufen so problemlos. Um die Zahl der Frühgeburten zu verringern und ein solches Risiko rechtzeitig zu erkennen, hat das Marienkrankenhaus zusammen mit der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) und dem Landesverband Hamburg des Berufsverbandes der Frauenärzte jetzt das in dieser Form bundesweit einmalige Spezialisten-Netzwerk "Willkommen Baby" gegründet.

"Wir wollen die Anzahl der Frühgeburten in Hamburg um zehn Prozent senken", sagte Egbert Schuhr, DAK-Vertragschef für Hamburg. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Frühgeburten in Hamburg zugenommen: Von den 20 000 Kindern, die 2009 in Hamburg geboren wurden, waren neun Prozent, also 1800, Frühchen. 2001 waren es noch sechs Prozent. Von einer Frühgeburt sprechen Ärzte dann, wenn Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen oder bei der Geburt weniger als 2500 Gramm wiegen.

"Ich hatte schon in der 30. Schwangerschaftswoche Wehen", erzählt Lilian D., die Mutter von Lynn und Luca. "Dann war ich vier Wochen hier im Krankenhaus und habe Wehenhemmer bekommen. Zwei Tage, nachdem ich entlassen war, wurden die Zwillinge geboren." Die kleine Lynn wog bei der Geburt 2485 Gramm und war 46 Zentimeter groß, ihr Bruder Luca war 2210 Gramm schwer, bei einer Größe von 44 Zentimetern.

Häufige Ursachen von Frühgeburten sind Erkrankungen in der Schwangerschaft wie zum Beispiel ein Schwangerschaftsdiabetes oder Infektionen der Scheide. Zu den Risikofaktoren zählen auch Stress, das Alter der Mutter und ungesunder Lebensstill wie Nikotin oder Alkoholkonsum. Die Auswirkungen können für Mutter und Kind dramatisch sein. "Die Wahrscheinlichkeit einer körperlichen und geistigen Behinderung beträgt im Falle einer Frühgeburt 60 Prozent", sagte Schuhr.

Um das Risiko einer Frühgeburt besser zu bestimmen, bietet das Netzwerk zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen für DAK-versicherte Schwangere an. Dazu zählen ein Zuckerbelastungstest und die Überprüfung des PH-Wertes in der Scheide als Hinweis auf Infektionen. Besonders aussagekräftig für die Abschätzung des Frühgeburtsrisikos ist eine kombinierte Untersuchung aus Ultraschall und dem sogenannten Fibronektin-Test. Hierbei wird zum einen die Länge des Muttermundes gemessen und zum anderen das Protein Fibronektin bestimmt, das als Bestandteil der Eihaut dazu dient, die Hülle der Fruchtblase mit der oberen Gebärmutterschicht zu verkleben.

Sind der Gebärmutterhals verkürzt und das Fibronektin erhöht, steigt das Risiko für eine Frühgeburt. "Eine Verkürzung des Gebärmutterhalses auf weniger als 25 Millimeter erhöht das Risiko einer Frühgeburt um das Neunfache. Ist das Fibronektin erhöht, steigt das Risiko um das 17-Fache, sagte Privatdozent Dr. Holger Maul, Chefarzt der Geburtshilfe und Perinatalmedizin am Marienkrankenhaus. Er will mit diesen Untersuchungen nicht nur Frühgeburten durch gezielte Therapie möglichst verhindern, sondern Schwangeren auch unnötige Krankenhausaufenthalte ersparen. "Wir wollen auch verhindern, dass mehr als die Hälfte der Schwangeren mit Zeichen vorzeitiger Wehen allein vorsorglich in einer Klinik betreut werden. Mit diesen Klinikaufenthalten nehmen wir ihnen die Freude an der Schwangerschaft", sagte Maul.

Wenn sowohl die Vermessung des Gebärmutterhalses als auch der Fibronektin-Test unauffällige Ergebnisse zeigten, könne man mit mehr als 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass die Frau in den folgenden 14 Tagen keine Frühgeburt bekommen werde. Diese Werte würden regelmäßig kontrolliert. Seien hingegen beide Werte auffällig, so bestehe ein Frühgeburtsrisiko für die gesamte weitere Schwangerschaft von 50 Prozent. Das hätten bisherige Studien ergeben.

Die Einbindung des Fibronektin-Tests ist das, was dieses Vorsorgeangebot für Schwangere im Vergleich zu bereits bestehenden Angeboten in anderen Bundesländern einzigartig macht. Geplant ist, dieses Programm wissenschaftlich auszuwerten und in das Netzwerk weitere Frauenärzte und Perinatalzentren in Hamburg aufzunehmen.

Schwangere, die bei der DAK versichert sind und an dem Programm teilnehmen wollen, können einen der 70 Hamburger niedergelassenen Frauenärzte aufsuchen, die an dem Netzwerk beteiligt sind, und dort die zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen. Die Teilnahme an dem Programm ist kostenlos und freiwillig. "Wir bieten den Schwangeren an, dem Vertrag beizutreten, und sie können auch jederzeit wieder austreten", sagte Dr. Wolfgang Cremer, Hamburger Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte. Welcher Frauenarzt an dem Netzwerk beteiligt ist, kann in einem DAK-Servicecentrum oder unter der Telefonnummer 01801-325 325 erfragt werden.

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