Mit meinen Zwillingen ist es manchmal doppelt anstrengend, aber immer doppelt schön. Das Problem: Der Mensch hat nur zwei Arme.

Hamburg. "Ich kann nicht sagen, dass da nicht noch ein Zweites wäre." Mit diesem irgendwie komplizierten, aber letztlich eindeutigen Satz teilte uns die Gynäkologin mit, dass wir Zwillinge bekommen. Gut möglich, dass die Ärztin diese doppelte Verneinung gewählt hat, um uns schon mal darauf vorzubereiten, dass sich in unserem Leben künftig vieles doppelt abspielen wird.

Nun, ich kann nicht sagen, dass uns diese Nachricht nicht nachhaltig erschüttert hätte. Nach zugegeben recht langen Momenten der Schockstarre machte sich dann auch schnell leichte Panik breit: Auto zu klein, Haus zu klein, Portemonnaie zu klein. Schließlich hatten wir schon einen knapp Dreijährigen zu Hause und uns innerlich auf nicht mehr als zwei Kinder eingestellt.

Nun also das Doppelpack. Dass Zwillinge trotz ständig steigender Zahl von Mehrlingsgeburten immer noch etwas Besonderes sind, zeigten nicht zuletzt die Reaktionen der Umwelt. Die Nachricht vom doppelten Nachwuchs rief meist ein deutlich vernehmbares Schlucken hervor, gelegentlich ein leicht bemühtes "Glückwunsch" und häufig ein ehrliches "Oha!". Doch das war noch steigerungsfähig. Wenige Wochen später zeigten die Ultraschallbilder eindeutige Umrisse zwischen den Beinchen. Zwei Jungs also. Die Reaktionen? "Glückwunsch." "Oha." Und vor allem: "Auch das noch!"

Wie sollen wir das bewältigen? Eine fast zehn Monate lange Schwangerschaft bietet reichlich Gelegenheit, sich über diese und viele andere Fragen Gedanken zu machen. Brauchen wir ein Kindermädchen? Wollen wir tatsächlich die ganze Zeit eine "fremde" Person im Haus haben? Und wenn ja, um wen soll die sich vorrangig kümmern? Um die Babys, die doch die Eltern schnell kennenlernen sollen? Um den Dreijährigen, der eigentlich gerade jetzt in dieser Konkurrenzsituation unsere besondere Aufmerksamkeit braucht?

Für eine andere Frage indes böte vermutlich auch eine zehn Jahre dauernde Schwangerschaft nicht ausreichend Zeit: Wie sollen die Jungs heißen? Bei der Wahl der Namen kann man eigentlich nur verlieren. Hat man sich heimlich ein paar Favoriten zurechtgelegt, kommt mit Sicherheit vom nächstbesten Bekannten die Aussage: "Der und der und der Name gehen ja wohl überhaupt nicht!" Jeder, aber auch wirklich jeder hat zu diesem Thema gute Ratschläge parat. Und all diese unter einen Hut zu bringen erfüllt den Tatbestand der objektiven Unmöglichkeit. Sie dürfen weder altmodisch sein noch gewollt modern. Sie müssen zum Nachnamen passen und international aussprechbar sein. Sie dürfen gerne Familientradition berücksichtigen, aber nicht zu blöden Spitznamen anregen. Und sie sollten, bloß nicht, auf der Hitliste der beliebtesten Namen auftauchen.

Was tun? Für eine kurze Zeit haben wir ernsthaft über die eher technische Lösung unseres Ultraschall-Professors nachgedacht: Der hat während der Untersuchungen die über jegliche Kritik erhabenen Bezeichnungen "Kind 1" und "Kind 2" gewählt.

Letztlich haben wir uns dann doch für eine etwas emotionalere Variante entschieden, die freilich gegen so einige der oben genannten Gebote verstößt. Max Hugo heißt der Erste (in Opa Hugo mütterlicherseits, ein Zwilling, vermuten wir den "Schuldigen" für die Mehrlingsschwangerschaft), Lukas Michel, genannt Michel, der Zweite.

Hatten wir damit das Schwierigste geschafft? Nicht ganz. Max und Michel mussten ja noch auf die Welt kommen. Und als sie dann da waren, zeigte sich: Nicht alles, aber doch das meiste dauert doppelt so lange. Das Problem: Der Tag hat eben nicht 48 Stunden und ein Mensch nur zwei Arme. Denn natürlich kommt es auch bei Zwillingen vor, dass der gerade eben frisch gewickelte Säugling eine beeindruckende Verdauungstätigkeit entwickelt. Oder dass der eine gerade satt eingeschlafen ist, wenn der andere aufwacht und so tut, als ob er seit Wochen nichts mehr zu essen bekommen hat. Natürlich dauert es lange, bis beide angezogen, beide in die Babyschalen verfrachtet sind. Bis beide auf den Autositzen festgezurrt, bis beide wieder ausgezogen sind. Das, was beim ersten Kind unproblematisch war, funktioniert jetzt nicht mehr. Es passt eben nur eine Babyschale in den Einkaufswagen. Und es ist fast unmöglich, zwei Kinder kolikenlindernd im Fliegergriff zu halten und gleichzeitig den eigenen Hunger zu stillen.

+++ Teil 1 der Serie: Ein gutes Bauchgefühl - jetzt wird alles anders +++

+++ Teil 2 der Serie: Manchmal kommt es anders - Born in the UKE +++

+++ Teil 3 der Serie: Das erste Babyjahr - Mamas neue Lehrstelle +++

+++ Teil 4 der Serie: Wenn Schlaf unter Müttern zum Neidfaktor wird +++

+++ Teil 5 der Serie: Die richtige Ernährung - Es gibt Milch, Baby +++

+++ Teil 6 der Serie: Waldkindergarten: Nass, kalt, aber glücklich +++

+++ Teil 7 der Serie: Medizin: Die Kunst der Befruchtung +++

+++ Teil 8 der Serie: Freizeit & Events: Wetterfrösche sind uns egal +++

+++ Teil 9 der Serie: Recht & Verwaltung - Vor dem Gesetz +++

+++ Teil 10 der Serie: Spielen und Spielzeug - Lasst die Puppen tanzen +++

+++ Teil 11 der Serie: Einkaufen - Ach du dickes Schoko-Ei +++

+++ Teil 12 der Serie: Schule - Mach doch mal eine Pause +++

+++ Teil 13 der Serie: Reisen & Ausflüge - Dem Himmel gern nah +++

+++ Teil 14 der Serie: Probleme & Krisen: Die Quälgeister, die ich rief +++

+++ Teil 15 der Serie: Medien: Die geliebte TV-Soap nach der Schule +++

Andererseits hat das doppelte Glück nicht nur doppelte Arbeit zur Folge, sondern durchaus auch doppelte Freude. Ein Grinsen aus zwei Gesichtern potenziert den ohnehin unwiderstehlichen Charme des Babylächelns. Äußerst amüsant ist es , wenn einer dem anderen aufgrund einer akuten Saugverwirrung die Hand abschmatzt. Und es ist tatsächlich etwas Lustiges, wenn die beiden sich gegenseitig überbieten wollen, wer wohl lauter schreien kann.

Und die doppelte Vorfreude ist gewährleistet! Später nämlich - das sagen alle, die sich damit auskennen (und alle anderen auch) -, später werden wir extrem davon profitieren, dass wir zwei haben, die sich dann wunderbar miteinander beschäftigen können. Bis dahin bleibt es eben manchmal doppelt anstrengend, manchmal doppelt lustig und immer doppelt schön.

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