Ich habe gerne gestillt. Aber wirklich schöner ist es trotzdem, eine Dose anstatt die Bluse zu öffnen, wenn der Nachwuchs Hunger hat.

Hamburg. Unlängst habe ich im Keller eine vergessene Umzugskiste entdeckt. Irgendwie ist sie beim Aufräumen immer übersehen worden. Ihr Inhalt: überflüssig wie abgestandenes Bier. Es handelte sich um Schwangerschaftshosen, Still-BH und Stilleinlagen. Letztere aus Seide-Wolle-Gemisch - natürlich aus Ökofasern. Sie waren unbenutzt. In einem Überschwang hatte ich auf Anraten der Hebamme mehrere Paare davon gekauft (für den Preis zweier solcher Stilleinlagen würde man ein erstklassiges Mittagessen bekommen), fand dann aber im täglichen Gebrauch doch die billigen Einwegdinger aus dem Drogeriemarkt praktischer.

Darüber, dass man als gute Mutter sein Baby stillen muss, gibt es in Deutschland keine Diskussion. Stillen schützt vor Allergien und vielen Erkrankungen. Es gibt wissenschaftliche Belege, dass Kinder, die gestillt wurden, später seltener an Durchfällen, Schnupfen sowie Lungen- und Mittelohrentzündungen erkranken.

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+++ Teil 2 der Serie: Manchmal kommt es anders - Born in the UKE +++

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Schon im Geburtsvorbereitungskursus wird man entsprechend indoktriniert. Schließlich empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Neugeborene sechs Monate voll zu stillen. Wer das Beste für sein Kind will, gibt ihm deshalb hierzulande die Brust. Eine Mutter, die sich für das Fläschchen entscheidet, muss schon gravierende Gründe vorbringen, warum sie nicht stillt. Als Entschuldigung durchgehen würde vielleicht das dauerhafte Einnehmen von Medikamenten. Der Wunsch nach ein bisschen Unabhängigkeit oder völlig wund gebissene Brustwarzen - das reicht garantiert nicht. Schließlich gibt es Milchpumpen, und Hebammen bewerben Kraut- und Quarkauflagen für gepeinigte Mutterbrüste. Natürlich wollte auch ich das Beste für mein Kind. Die Vorteile überzeugten mich: Wer stillt, verliert schneller an Gewicht, ja, man kann geradezu zusehen, wie die Fettpolster verbrennen (aber nur, wenn man parallel nicht ständig Schokolade futtert). Muttermilch kostet nichts, und man hat die Nahrung für den Säugling immer dabei. Dazu ist sie sauber, keimfrei und gleich richtig temperiert.

Aber eine richtige Wahl hatte ich ohnehin nicht. Das Sektglas in der Hand (nach der Geburt soll Sekt die Milchbildung anregen - auf jeden Fall hat sich jede Frau danach ein Gläschen verdient), legte mir die Hebamme noch im Kreißsaal meinen Sohn liebevoll an. Umgehend begann er zu saugen. Unglaublich, welche Kraft so ein zahnloser Gaumen entwickeln kann. Schnell zeigte sich, dass die Abhärtung im Vorfeld (regelmäßig mit dem Luffa-Handschuh die Brüste traktieren) nichts gebracht hatte. Gegen einen Jungen, der sich seine Portion Muttermilch holen will, ist ein Luffa-Handschuh ein Seidentuch.

Dafür war mein Sohn schnell. Zehn Minuten, länger brauchte er nicht, um satt zu sein. Im Krankenhaus war das nicht so wichtig, in den eigenen vier Wänden genauso wenig, aber unterwegs lernte ich es zu schätzen. Säuglinge warten nicht, wenn sie hungrig sind. Sie schreien und hören nicht eher auf, bis ihr Hunger gestillt wird. Deshalb hat eine junge Mutter oft keine Wahl, als das Kind anzulegen, auch wenn man sich gerade im Café befindet oder auf der Familienfeier. Bei den ersten Malen fällt das den meisten Frauen schwer. Oben-ohne-Sonnen am Strand ist eben etwas anderes, als seine Brust in der Öffentlichkeit zu entblößen, und bedarf deshalb einer gewissen Gewöhnungsphase.

Stillen in der Öffentlichkeit wird in der Regel toleriert, meist sogar ignoriert, zumal es kaum auffällt, wenn man ein wenig Übung hat. Nur einmal, mein Sohn war vier Monate alt, gab es eine entwürdigende Situation. Wir waren mit Freunden und deren Kindern in Mecklenburg-Vorpommern. In einem Café in Heiligendamm kehrten wir ein. Wir setzten uns in eine Ecke, bestellten Tee und Gebäck, und auch mein Sohn wurde hungrig. Die strenge Servierdame mit ihrem weißen Schürzchen beließ es nicht bei empörten Blicken, als sie sah, dass ich stillte. Ob das unbedingt sein müsse, fragte sie in tadelndem Ton.

Dabei saßen wir nicht am Eingang, niemand außer unseren Freunden und ihr bekam überhaupt etwas mit. Am liebsten hätte ich mit der Sahnetorte um mich geworfen. Übrigens gibt es auch heute noch viele Menschen, die meinen, stillende Mütter sollten sich dazu mit ihren Babys aufs Klo verziehen. Dabei geht niemand sonst zum Essen aufs Klo, warum also Babys? Kritisch wird es selbst für mich, wenn das Kind der Nahrung schon hinterherlaufen kann. Stillen ist etwas für Säuglinge, nicht für Kleinkinder. Hebt ein Kind der Mutter schon die Bluse hoch, um sich selbst "anzudocken", sieht die Mutter die Sache mit der Mutter-Kind-Bindung meiner Meinung nach etwas zu eng.

Eines kann ich nicht verhehlen: Es ist ein Meilenstein, sobald die Kinder anfangen, Brei zu essen und Dinkelstangen und man als Mutter bei der Nahrungsversorgung endlich wieder entbehrlicher wird. Und wenn einer meiner Jungs heute zwischendurch Hunger bekommt, empfinde ich es als sehr angenehm, dass ich im Schnellrestaurant nur die Geldbörse öffnen muss und nicht die Blusenknöpfe. Aber auch jetzt hoffe ich, dass mich keiner dabei sieht - schließlich sind Pommes und Burger ja alles andere als gesund.