Die Museen haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten verändert. Sie sind heute so gut wie nie zuvor - leider etwas zu spät für meine Söhne.

Hamburg. "Kinder, lasst uns in Museum gehen" - die Chancen, dass ich mit diesem Vorschlag bei meinen beiden kleinen Söhnen für schlechte Laune sorgen würde, standen etwa zehn zu eins. Museen waren damals für Kinder meistens todlangweilig, da mussten sie leblose Dinge hinter Glas betrachten und sich Erklärungen durchlesen, die das Ganze auch nicht spannender machten. "Wann gehen wir endlich wieder nach Hause?", war die Frage, die nie lange auf sich warten ließ.

Das ist lange her, und viel hat sich seither verändert: Meine Söhne sind nicht mehr klein und gehen inzwischen ganz gern in Museen. Vor allem aber haben sich die Museen in den letzten zwei Jahrzehnten verändert. Sie haben Kinder als ihre vielleicht wichtigste Zielgruppe entdeckt und sich auf deren Bedürfnisse eingestellt. "Museen sind nicht nur außerschulische Lernorte, sie sind auch Orte zum Spielen, Schauplatz von Kindergeburtstagen und Rallyes. Das Schöne an den Museen ist ja gerade, dass Kinder hier spielen können und Spaß haben und dabei trotzdem Bildung vermittelt bekommen", sagt Lisa Kosok, die Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte.

Schauplatz Hubertus-Wald-Kinderreich im Museum für Kunst und Gewerbe: Hier ist alles verdreht. An der Decke hängen kopfüber ein gedeckter Tisch und Stühle, eine Gießkanne kann sprechen, es gibt Kostüme, die zum Verkleiden einladen, ein Theater für Schattenspiele, Material zum Konstruieren, Erfinden oder Fotografieren - der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, sie wird im Gegenteil herausgefordert. Hier lernen Kinder, erwerben Kenntnisse über Kulturgeschichte und haben ziemlich viel Spaß dabei, denn das Lernen ist keine mühsame Beschäftigung, sondern ein spannendes Spiel.

Schauplatz Kinderolymp im Altonaer Museum: In der interaktiven Abteilung des Altonaer Museums geht es seit Frühjahr 2010 um Wasser: Zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt, aus dem auch der Mensch zu 60 bis 70 Prozent besteht. Erstaunlichen Tatsachen können Kinder hier während einer "Forschungsreise" mit Computerspielen und Experimenten auf den Grund gehen. Nicht weniger spannend ist es in der Forschungsstation des Internationalen Maritimen Museums, wo Kinder sogar Vulkane zum Ausbruch bringen dürfen.

Erfahrungen ganz anderer Art bietet das "Hamburger Kinderzimmer", das Olafur Eliasson im Sommer 2009 in der Galerie der Gegenwart der Kunsthalle eingerichtet hat. Der dänisch-isländische Künstler hat einen fantastischen Raum geschaffen, in dessen Mittelpunkt ein niedriger Tisch steht. Hier befinden sich jene bunten Steckelemente, aus denen viele von Eliassons Werken bestehen. Diese "Zometools" fügen Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren beliebig zu eigenen Plastiken zusammen, die sie dann in der aus weißen Quadraten bestehenden und teils verspiegelten Gitterarchitektur des Raums wie in einem Museum als eigene Ausstellung präsentieren können. Auch während der gegenwärtigen Teilschließung der Galerie der Gegenwart ist "Kinderzimmer" an den Wochenenden jeweils 12 bis 16 Uhr geöffnet.

Zu einer aufregenden Reise in eine weit zurückliegende Zeit lädt das komplett neu gestaltete Archäologische Museum in Harburg ein. Es ist zwar kein "Kindermuseum", aber die Präsentation der Dauerausstellung auf 1300 Quadratmetern ist so konzipiert, dass Kinder sie spannend finden. Wo kommen wir her? Wer sind wir? Wo gehen wir hin? Antworten auf diese zentralen Fragen gibt die Ausstellung, indem sie nicht nur zeigt, wie Menschen vor Jahrtausenden gelebt, sich gekleidet oder sich ernährt haben, sondern verblüffende Parallelen zu unserem Alltag zieht, auf die wir durch "Zeitfenster" aufmerksam gemacht werden, die immer wieder Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellen. In den Kinderwelten der Hamburger Museen findet man weder herkömmliche Glasvitrinen noch die berühmt-berüchtigten Schreckensschilder "Nicht anfassen!".

+++ Teil 1 der Serie: Ein gutes Bauchgefühl - jetzt wird alles anders +++

+++ Teil 2 der Serie: Manchmal kommt es anders - Born in the UKE +++

+++ Teil 3 der Serie: Das erste Babyjahr - Mamas neue Lehrstelle +++

+++ Teil 4 der Serie: Wenn Schlaf unter Müttern zum Neidfaktor wird +++

+++ Teil 5 der Serie: Die richtige Ernährung - Es gibt Milch, Baby +++

+++ Teil 6 der Serie: Waldkindergarten: Nass, kalt, aber glücklich +++

+++ Teil 7 der Serie: Medizin: Die Kunst der Befruchtung +++

+++ Teil 8 der Serie: Freizeit & Events: Wetterfrösche sind uns egal +++

+++ Teil 9 der Serie: Recht & Verwaltung - Vor dem Gesetz +++

+++ Teil 10 der Serie: Spielen und Spielzeug - Lasst die Puppen tanzen +++

+++ Teil 11 der Serie: Einkaufen - Ach du dickes Schoko-Ei +++

+++ Teil 12 der Serie: Schule - Mach doch mal eine Pause +++

+++ Teil 13 der Serie: Reisen & Ausflüge - Dem Himmel gern nah +++

+++ Teil 14 der Serie: Probleme & Krisen: Die Quälgeister, die ich rief +++

+++ Teil 15 der Serie: Medien: Die geliebte TV-Soap nach der Schule +++

+++ Teil 16 der Serie: Piks-Ass +++

+++ Teil 17 der Serie: Jetzt ist Väterzeit: Einen Doppelten, bitte +++

+++ Teil 18 der Serie: Schwimmsport: Die kleine Meerjungfrau +++

Ganz im Gegenteil: Die Vitrinen im Archäologischen Museum in Harburg können sogar sprechen und hier wie auch in vielen anderen der neu gestalteten Museumsabteilungen können Kinder die Exponate berühren, um sie zu begreifen. So lädt das Museum für Völkerkunde Kinder zum Beispiel dazu ein, in die Welt der Indianer einzutauchen. Hier können sie im Nachbau eines zweigeschossigen Pueblo-Hauses am Lagerfeuer sitzen oder am Steuer eines originalen Cadillac Platz nehmen, um zum Programm eines indianischen Radio-Senders und der Videoprojektion eines Landschaftsfilms vor der Frontscheibe ihr eigenes Roadmovie zu erleben.

Schauplatz Hamburgmuseum, erster Stock, Rekonstruktion der Decksaufbauten des alten Hamburger Dampfers "Werner": Der zehnjährige Sohn eines Freundes geht ganz auf in seiner Rolle als Kapitän. Souverän steht er am Ruder, schiebt den Schalter des Maschinentelegrafen auf "Volle Kraft voraus" und blickt von der Brücke auf die bewegten Bilder des Hafens aus den 30er-Jahren, die auf eine große Leinwand projiziert werden und die Illusion einer historischen Hafenrundfahrt vermitteln, garniert mit Möwengeschrei und Werftgeräuschen. Als ich nach zehn Minuten gehen will, ist ihm das viel zu früh. "Lass uns noch bleiben", sagt er. Ein bisschen neidisch stelle ich fest, dass meinen Söhnen noch vor einem Jahrzehnt eine solche Bitte nie über die Lippen gekommen ist.

Das Buch zur Serie: Noch mehr Tipps und Geschichten für 14,95 Euro. Bis zum 31.5.2010 versandkostenfrei vorbestellen unter www.abendblatt.de/shop oder unter Tel. 040/347-265 66.