Jenisch-Haus: Das Museum für Kunst und Kultur an der Elbe zeigt eine Schau zur Geschichte der Brautmode.

"Ganz in Weiß" zu heiraten gilt heute als Inbegriff der Tradition, aber in Wahrheit ist dieser Dresscode noch gar nicht so lange populär. Wer etwa Hochzeitsfotografien vom Beginn des 20. Jahrhunderts betrachtet, wird feststellen, daß die Bräute damals zwar stets festlich gewandet waren, aber keineswegs immer ein weißes, sondern oft genug ein dunkles, vielfach sogar ein schwarzes Kleid getragen haben.

Vor allem viele Arbeiterinnen und Kleinbürgertöchter heirateten in Deutschland und Österreich noch bis zum Zweiten Weltkrieg im dunklen Brautkleid. Das hatte nicht zuletzt praktische Vorteile, denn das teure Stück konnte dann auch nach der Hochzeit als "Sonntagsstaat" oder Festgewand weiter genutzt werden.

Daß weiße Hochzeitskleider zwar schon im 17. Jahrhundert gebräuchlich waren, allerdings zunächst nur bei adeligen Eheschließungen, zeigt eine große Ausstellung im Jenisch Haus, die unter der Schirmherrschaft von Ingeborg Prinzessin zu Schleswig-Holstein steht. Unter dem Titel "Braut Moden Schau" vermittelt sie einen umfassenden Eindruck von der Vielfalt und dem Wandel der Hochzeitsmode im Zeitraum von 1755 bis 2005.

Zu sehen sind mehr als 150 Objekte rund um das Thema Heiraten, darunter etwa 60 Brautkleider, die den Stilwandel vom Rokoko bis zur Gegenwart veranschaulichen.

"Einzelne Räume widmen sich den typischen Stoffen von Brautkleidern, dem besonderen Thema der königlichen Hochzeit und der ,Hochzeit auf dem Lande'. In der Abteilung ,Hochzeit im Kino' stellt eine Leinwand mit Filmausschnitten die Umsetzung des populären Themas in den Medien vor", sagt Professor Bärbel Hedinger, die Direktorin des Altonaer Museums, die die Schau gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Dr. Julia Berger konzipiert hat. "Mit seiner klassizistischen Architektur bildet das Jenisch-Haus einen idealen Rahmen für diese Ausstellung, denn hier kann die Brautmode ihre glamouröse Wirkung erst richtig entfalten", meint Prof. Hedinger, die auf den umfangreichen Textilfundus des Altonaer Museums zurückgreifen konnte. Allerdings war diese bedeutende Textilsammlung bis jetzt weitgehend unerschlossen und mußte speziell für die Ausstellung wissenschaftlich aufbereitet werden. Hinzu kommen auch einige hochkarätige Leihgaben, darunter exklusive Originalmodelle von Chanel, Dior und Vivienne Westwood.

Zu den kostbarsten Objekten gehört das älteste Brautkleid der Ausstellung aus dem Jahr 1761, da es eines der wenigen erhaltenen Exemplare aus dem Rokoko ist. Die Ausstellung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Mode der Braut, sondern zeigt auch Kleidung, die der Bräutigam und die Blumenstreukinder getragen haben. Für die Besucher entsteht so die Inszenierung ganzer Festgesellschaften. Neben der jeweiligen kunsthistorischen und stilistischen Einordnung vermittelt die Schau auch einen Eindruck von den politischen, sozialen und mitunter sogar von den jeweiligen individuellen Rahmenbedingungen. Welche gesellschaftliche Stellung hatten die Brautleute, und woran läßt sie sich erkennen? Wie alt waren sie bei ihrer Hochzeit? War es eine Liebes- oder eine Geldheirat? Wurde im großen Rahmen oder nur im kleinen Kreis gefeiert? Diese und ähnliche Fragen führen dem Besucher vor Augen, daß es sich bei den prächtigen Ausstellungsstücken immer auch um Zeugnisse individueller Schicksale handelt.

Zu den Veränderungen, die in der Ausstellung aufgezeigt werden, gehört auch der Verlust der Symbolik. Und das betrifft auch die weiße Farbe des Brautkleids, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts im Bürgertum immer mehr durchsetzte. Ursprünglich war sie nicht nur eine modische Erscheinung, sondern wurde zugleich als Symbol für die von der Kirche geforderte Jungfräulichkeit der Braut angesehen, was auch dem Moralkodex der bürgerlichen Gesellschaft entsprach. Das trifft auch für den von der Nonnentracht abgeleiteten Schleier zu, der allerdings erst später gebräuchlich wurde.

Im Lauf des 20. Jahrhunderts wurde das nun meistens mit dem Schleier kombinierte weiße Brautkleid auch in den unteren sozialen Schichten immer populärer, obwohl sich damit in der Regel ein ziemlich hoher Aufwand verband. Denn dieses Kleid war in Farbe und Schnitt meistens so eindeutig auf die Hochzeit bezogen, daß sich eine anderweitige Nutzung später von selbst verbot. Aber gerade der hohe Aufwand entsprach wohl dem Wunsch, dem wirklich oder - wie sich mitunter später herausstellte - nur vermeintlich "schönsten Tag des Lebens" auch mit der Kleidung der Braut ein ganz besonderes Gepräge zu verleihen. Und dabei ist es ungeachtet aller Modetrends bis heute geblieben. Allerdings findet schon lange niemand mehr etwas dabei, wenn auch eine schwangere oder bereits einmal geschiedene Braut in Weiß und mit Kranz und Schleier zur Trauung erscheint. Denn obwohl das weiße Brautkleid alle gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche des 20. Jahrhunderts überstanden hat, spielt die früher mit diesem Kleidungsstück verbundene Symbolik dabei schon längst keine Rolle mehr.

Jenisch-Haus , Museum für Kunst und Kultur an der Elbe, Baron-Voght-Straße 50, 5. 6.-16. 10., di-so 11-18 Uhr.