Holger Matthies: Eine Ausstellung zum 65. Geburtstag des Künstlers.

"Die Wirklichkeit des Unerwarteten" hieß vor fünf Jahren der Titel einer Ausstellung im Museum der Arbeit mit Plakaten von Holger Matthies. Treffend beschreibt dieser Titel das Werk des renommierten Plakatkünstlers, dem das Museum für Kunst und Gewerbe jetzt anläßlich seines 65. Geburtstags zur Triennale der Photographie eine Ausstellung mit etwa 200 Arbeiten widmet. Zu sehen sind Plakate, Fotografien sowie Entwürfe zu noch nicht realisierten Ideen. "Bilder aus der Dunkelkammer" heißt die Schau, weil sie unter anderen eben auch Arbeiten zeigt, die nie zuvor öffentlich zu sehen waren.

Doch angesichts des Geburtstags vielleicht wichtiger ist die Tatsache, daß die Ausstellung zugleich einen repräsentativen Rückblick bietet, beim Betrachter Erinnerungen weckt und uns vor Augen führt, wie vertraut uns die Bildsprache von Holger Matthies geworden ist. Jeder kann sich zumindest an einige seiner Theater- oder Museumsplakate erinnern. An außergewöhnliche Bildideen, die Reales und Irreales ebenso perfekt wie befremdlich verschmelzen. Aus einem aufrecht stehenden Buch wächst da zum Beispiel ein menschliches Ohr - "mal hinhören. Lese-Marathon in der Markthalle" steht darüber. Einer ehrwürdigen Goethebüste hat sich ein realer Frauenarm höchst sinnlich über Hals und Schulter gelegt. Dieses Plakat warb für das Ein-Personen-Stück "Ein Gespräch im Hause Stein . . ." von Peter Hacks im Thalia-Theater. Ausgangspunkt sind für Holger Matthies immer reale Dinge, Gegenstände, Fundsachen, Fotos. Seine Methode, aus diesem Material Bildideen zu entwickeln, die so außergewöhnlich sind, daß sie sich in der schreiend bunten Werbewelt stets zu behaupten vermögen, ist spielerisch, künstlerisch und zugleich auf solide Weise handwerklich. Selbst flüchtige Betrachter werden dazu angeregt, innezuhalten, genauer hinzusehen, nachzudenken, weiterzudenken.

Matthies hat immer wieder für kulturelle Institutionen gearbeitet, aber ebensooft soziale Themen aufgegriffen. In Hamburg geboren, begann er seine Laufbahn 1958 mit einer Lehre als Fotolithograph. Anschließend studierte er an der Hochschule für bildende Künste, bevor er 1966 als Plakatgestalter zu arbeiten begann. Seine Plakate, die stark auf Metaphorik setzen und oft ohne viele Worte auskommen, haben ein ästhetisch fein austariertes Verhältnis von Bild- und Textelementen. Matthies, der u. a. seit 1994 als Professor für visuelle Kommunikation an der Universität der Künste in Berlin tätig ist, gilt seit langem als einer der renommiertesten europäischen Plakatgestalter.

Museum für Kunst und Gewerbe , 3. 6.-14. 8., di-so 10-18, do bis 21 Uhr.