Deichtorhallen: Hubert Fichte und Leonore Mau. Eine große Schau ist den Werken des Schriftstellers und der Fotografin gewidmet.

"Du fotografierst. Ich schreibe. Wir besuchen uns. Du machst aus mir einen großen Dichter. Ich mache aus dir eine große Fotografin." Diesen Pakt schließen Irma und Jäcki in Hubert Fichtes Roman "Der kleine Hauptbahnhof oder Lob des Strichs". Die Romanfiguren Irma und Jäcki sind identisch mit Leonore Mau und Hubert Fichte. Der Fotografin und dem Schriftsteller, deren gemeinsames Lebenswerk beide berühmt gemacht hat. Auf unzähligen Reisen nach Brasilien, Haiti, Afrika oder Venezuela erkundeten sie zwischen 1969 und 1985 fremde Kulturen und Religionen. Nahmen teil an rauschhaften Zeremonien und hielten fest, was sie sahen. Sie mit der Kamera, er mit Worten. Ihr Werk, veröffentlicht in Büchern "Xango" oder "Petersilie" gilt in Präzision und Poesie als einmalig.

Eine große Schau in den Deichtorhallen ist nun anläßlich des 70. Geburtstags von Hubert Fichte (1935-1986) dem Lebenswerk des Paares gewidmet. Unter dem Titel "Hubert Fichte und Leonore Mau. Der Schriftsteller und die Fotografin. Eine Lebensreise" präsentiert die Schau rund 200 Fotografien von Leonore Mau. Sie beschreiben den Alltag in Paris, Hamburg und Berlin der 60er Jahre, zeigen Porträts von Schriftstellern, Szenen aus Voodoo-Kulten in Lateinamerika oder aus Psychiatrien in Afrika und Bilder aus Armenvierteln.

Dazu präsentiert die Schau in rund 40 Vitrinen Romane und Romanentwürfe, Tagebücher , Reisenotizen und Ethnopoesie des Hamburger Schriftstellers Hubert Fichte. Viele der insgesamt 400 Exponate sind hier erstmals veröffentlicht. Hörstationen und gemeinsame Filme vervollständigen den Eindruck vom außerordentlich umfangreichen Lebenswerk der beiden. Und ein originaler Candomble-Altar sowie ein Gemälde von Daniel Richter lassen die Mystik der Riten erahnen.

Im Zentrum der Schau steht die doppelte Dokumentation von Voodoo-Riten. Trance, Rausch, Heilung - Leonore Mau und Hubert Fichte begeben sich in die Mitte des Geschehens. Rückblickend auf erste Reisen nach Brasilien, berichtet Fichte in einem Interview: "Ich wußte, daß es diese Religionen dort gab. Ich hatte nie geglaubt, daß man als Weißer an solchen Riten teilnehmen könnte. Ein nächster, sehr wichtiger Schritt war, daß Leonore Mau, meine Frau, es verstanden hat, durch eine Mischung von Impertinenz und Diskretion Fotos zu machen. Ich dachte daran, daß man nun tatsächlich die Möglichkeit zu einer doppelten Dokumentation hätte, die ja vorher auf der Welt nicht bestanden hat."

Daß diese intensive Annäherung gelang, war wohl den Sprachkenntnissen der Reisenden zu verdanken. Sowohl Leonore Mau wie Hubert Fichte waren gierig danach, fremde Sprachen zu erlernen. Sie konnten sowohl portugiesisch als auch kreolisch mit den Einwohnern reden. Ihre erste Reise nach Brasilien unternahm das Paar 1969. "Ein Land, so groß wie ein Kontinent - das war faszinierend", erinnert sich die heute 89 Jahre alte Fotografin. "Aber drei Monate waren viel zu kurz." Die zweite Reise, 1971, dauerte dann zwei Jahre. Abstecher führten nach Argentinien und Chile, wo sie Präsident Salvador Allende und den Dichter Jorge Louis Borges trafen.

Besonders aber zog es sie in die Armenviertel. "Da, wo man Trommeln hört, muß man hingehen", weiß Leonore Mau. Jedes Jahr fuhren sie von da an los. Nach Haiti, nach Tansania, in den Senegal, nach Caracas und nach Togo. Kennengelernt hatten sich der 26jährige homosexuelle Hubert Fichte und die 19 Jahre ältere Fotografin 1961 in Hamburg. Die Begegnung hat beider Leben radikal verändert. Sie trennt sich von ihrem Ehemann, und der bis dahin ziellos durch Europa streifende Fichte beginnt zu schreiben. Mit dem teils autobiographischen Roman "Die Palette" gelingt Fichte 1968 der Durchbruch. Das literarische Versprechen bewahrheitet sich. Hubert Fichte wird ein großer Dichter, Leonore Mau eine große Fotografin.

  • Haus der Photographie/ Deichtorhallen, Deichtorstraße 2, bis 8.1. 2006, di-so 11-18 Uhr, Buch 25 Euro.