Dienstantritt: Am 1. Februar wird Hubertus Gaßner Chef des größten Hamburger Kunstmuseums. Der neue Chef der Kunsthalle plant im kommenden Jahr eine große Ausstellung über das Werk des Romantikers Caspar David Friedrich.

Provokante Sätze begleitet er gern mit charmantem Lächeln. "Die Lange Nacht der Museen betrachte ich als Durchlauferhitzer und Event-Schleuder", hat er zum Beispiel freundlich lächelnd im Abendblatt-Interview gesagt - wohl wissend, daß er damit gegen den Trend steht. Ganz sicher wird Hubertus Gaßner, der am 1. Februar die Nachfolge von Uwe Schneede als Kunsthallen-Direktor antritt, den übrigen Hamburger Museen nicht in den Rücken fallen und die "Lange Nacht" mit seinem Haus im kommenden Jahr nicht boykottieren, aber an seiner grundsätzlichen Meinung wird das wohl nichts ändern.

Er spricht auch davon, daß die Ausstellungsmaschine völlig überdreht sei, daß weniger mehr wäre: Weniger Ausstellungen, diese dann aber mit hoher, mit höchster Qualität. Und das muß Popularität nicht ausschließen, im Gegenteil. "Es wurde mal behauptet, die Zeit der Großausstellungen sei vorbei. Das ist ein Irrtum", meint der künftige Kunsthallen-Chef und sagt auch gleich, was ihm da vorschwebt: Caspar David Friedrich.

1974, zur großen Gemeinschaftsausstellung mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, zog der Romantiker 220 000 Besucher in die Kunsthalle. Um diese Größenordnung geht es. Gaßner ist froh, daß er alle wichtigen Meisterwerke für die Schau im Jahr 2006 bekommen wird, daß er "den ganzen Friedrich" zeigen kann - mit Bildern u. a. aus St. Petersburg, Berlin und Dresden. Und die Schau, diesmal in Kooperation mit Essen, wird auch keine Reprise von 1974 sein, sondern eine neue Ausstellung mit neuen Fragestellungen, bei denen auch die Forschung der letzten 30 Jahre mit einfließen wird.

Daß er große Ausstellungen erfolgreich organisieren kann, hat der 53jährige wiederholt unter Beweis gestellt. In Frankfurt am Main geboren, studierte er in Marburg, Heidelberg, München und Hamburg Kunstgeschichte, Philosophie und Soziologie. 1982 promovierte er über die Fotografie von Alexander Rodschenko. Der russische Konstruktivismus gehört zu den Spezialgebieten des Kunsthistorikers, der sich bereits im Frühjahr mit einem exzellenten Vortrag über das Verhältnis von Ikonenmalerei und russischer Avantgarde im Bucerius Kunst Forum dem kunstinteressierten Hamburger Publikum vorstellte.

Gemeinsam mit Christoph Vitali kuratierte Gaßner 1993 an der Frankfurter Schirn Kunsthalle die vielbeachtete Ausstellung "Die große Utopie: Russische Avantgarde 1915-1932". Bereits 1988/89 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Schirn, bis ihn der Magistrat der Stadt Kassel zum Leiter des Documenta-Archivs berief. 1993 wechselte er als Ausstellungsleiter und Stellvertreter von Christoph Vitali ans Münchner Haus der Kunst. Im Oktober 2002 übernahm er schließlich den Direktorenposten des Museums Folkwang Essen. Als Kurator hat Gaßner mehr als 100 Ausstellungen zu ganz unterschiedlichen kunstgeschichtlichen Themen konzipiert, darunter eine Schau über den russischen Symbolisten Michail Wrubel oder "Beauty now. Die Schönheit in der Kunst am Ende des 20. Jahrhunderts" (beide im Haus der Kunst) und erst kürzlich im Folkwang Museum die Schau "Cezanne - Aufbruch in die Moderne", die zu den größten Kunstereignissen des Jahres gehörte und etwa 380 000 Besucher anlockte. Dabei setzt Gaßner keineswegs nur auf die großen Namen, sondern fördert immer wieder auch Künstler, die - wie zum Beispiel der ungarische Symbolist Tivadar Csontvary, den er im Haus der Kunst präsentierte - zwar wichtig, aber im Westen kaum bekannt sind. Der neugierige, unverstellte Blick in den Osten, dessen Kunstgeschichte er hervorragend kennt, war für Gaßner schon immer wichtig. Und mit einem osteuropäischen Thema wird er auch an der Kunsthalle beginnen. Seine zweite Ausstellung trägt den Titel "Das schwarze Quadrat. Die Ikone der Moderne" und wird in Kooperation mit dem Russischen Museum in St. Petersburg im Frühjahr 2007 veranstaltet.

Malewitsch und Friedrich sind ebenso anspruchsvolle wie publikumssträchtige Themen, aber wie kann man jenseits von solchen Blockbustern Qualität und Publikumszuspruch auf einen Nenner bringen?

"Kunst ist immer provokant und subversiv. Deshalb sollte sie auch nicht Illustration und Unterhaltung sein", sagt der künftige Kunsthallen-Chef - und das klingt schon wieder nicht nach Event-Kultur. Aber natürlich weiß auch Gaßner, daß Klappern zum Geschäft gehört, daß Sponsoren nicht für jedes Thema zu begeistern und Events längst Teil des Kulturbetriebs sind. "Aber sie dürfen die Kunst nicht tangieren oder gar ersetzen. Rahmenprogramme setzen den Rahmen, bilden aber nicht den Inhalt", sagt Gaßner und wird grundsätzlich: "Museen sind keine Kinos, keine Literaturhäuser, keine Orte für Fotodokumentationen, sondern Kraftstationen für die Kunst."

Dabei weiß er sehr gut, daß er als erfolgreicher Museums-direktor die Menschen da abholen muß, wo sie tatsächlich sind. Und da kann er heute kein Programm mehr machen, das an den Bildungsbürger adressiert ist. "Das klassische Bildungsbürgertum ist im Schwinden. Heute herrscht, um eine nur scheinbar paradoxe Formulierung von Walter Benjamin aufzugreifen, eine ,zerstreute Aufmerksamkeit'. In diesem Sinne können Museen Orte des Flanierens sein, in denen man immer wieder zu Konzentrationspunkten gelangt", sagt Gaßner und fügt schmunzelnd hinzu: "Wir haben dafür den Slogan vom ,Kontakthof Kunsthalle' gefunden. Das klingt zwar provokant, trifft aber den Kern der Sache."

Aber wie gewinnt man die Aufmerksamkeit des Publikums? Zunächst einmal durch überzeugende Ausstellungen, die wesentliche Kunst zeigen und gut vermitteln. Doch Gaßner hat in seiner bisherigen Praxis auch die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, sein Angebot bekanntzumachen. "Unsere Cezanne-Ausstellung im Museum Folkwang hatte nicht zufällig 380 000 Besucher. Das war nur möglich, weil wir sehr viel für Werbung tun konnten. Ohne einen so großen Werbeetat wären vielleicht nur 50 000 Besucher gekommen", meint der künftige Kunsthallen-Chef, der etwas dafür tun will, daß Hamburg in Zukunft stärker als Museumsstadt wahrgenommen wird. Und was reizt ihn an seiner neuen Aufgabe am meisten? Für die Antwort muß er nicht lange nachdenken: "Es ist das enorme Spektrum der Hamburger Kunsthalle, das vom Mittelalter, von Meister Bertram bis zur Gegenwart reicht. Kein anderes Museum in Deutschland hat eine so reiche Sammlung unter einem Dach zu bieten."