Ich wollte eigentlich gar nicht hin fahren, nach Yad Vashem, “der Gedenkstätte für Holocaust und Heldentum“ in Jerusalem. Meine Mitbewohnerin, deren Vater Auschwitz überlebt hat, hatte mich schon ein paar Mal gefragt, ob ich den Ort noch besuchen würde. Sie sagte: “It's beautiful“.

Ob das daran liegt, dass ihr Englisch zu schlecht ist oder sie mich nur damit ein bisschen überreden wollte, ich weiß es nicht. Ich sagte immer, "ja, ja" und versuchte das Thema abzulenken. In Deutschland habe ich schon ein paar Konzentrations- und Arbeitslager besucht, es war schrecklich. Vor kurzem hat mich ein junger Mann im Bus angesprochen, nachdem er erfahren hatte, dass ich Deutsche bin und er mich noch ein bisschen darüber erzählen ließ, wie ich Israel finde, sagte er zu mir: "Ich weiß nicht, ob ich es sagen kann, und es ist vielleicht auch keine gute Idee, aber ich muss. Das, was die Deutschen den Juden angetan haben, kann ich nicht vergessen." Ich antwortete ihm: "Ich kann das auch nicht vergessen". Das reichte ihm aber nicht, er wiederholte es noch ein paar Mal. Es brannte ihm unter den Nägel, es mir mitzuteilen.

Als wir beide an der gleichen Bushaltestelle ausstiegen, wollte ich mich verabschieden und reichte ihm meine Hand. Worauf er sagte: "Das geht nicht, ich berühre keine Frauen." Ich fühlte mich so, als hätte ich alles falsch gemacht, als wäre ich falsch. Er ist frommer Jude, deswegen berührt er keine Frauen, außer seiner eigenen. Doch ich fühlte mich so, als ob ich Versöhnung angeboten hätte, die er ablehnte. Dabei habe ich doch gar nichts gemacht und trotzdem fühle ich mich schuldig. Weil eine Freundin von mir nun doch nach Yad Vashem wollte, fuhr ich mit. Hinter der Informationstheke stand ein sehr alter Mann, etwa 80. Er erklärte uns den Weg und was erwünscht ist und was nicht. Kein Kaugummi kauen, keine Fotos machen in der Ausstellung, Taschen abgeben. Zum Schluss sagte er in perfektem Deutsch: "Ich würde Ihnen gern viel Vergnügen wünschen, aber das, was sie erwartet, ist sehr tragisch." Jetzt sprach dieser ältere Herr auch noch Deutsch, ich traute mich nicht zu fragen, woher.

Yad Vashem ist weder beautiful, noch tragisch. Für mich ist es, wie ein dunkler, grausamer Tunnel, an dessen Ende aber ein Licht steht und der Ausblick vom Berg Herzl auf ein Tal, das friedlich da liegt. Symbolisch gesehen, steht dieser Ausblick wohl für die Zukunft, für die Gegenwart jedenfalls noch nicht. Es gibt noch zu viele Kriege und ungelöste Konflikte.