Meine erste Nacht in Jerusalem - der heiligen Stadt und auch der geteilten Stadt- verbringe ich auf dem Ölberg.

Ich schlafe heute auf dem Ölberg. Hier soll Jesus in den Himmel aufgefahren sein, nach christlichem Glauben. Ich bin mit dem Bus von Tel Aviv nach Jerusalem gefahren. Es war ganz einfach, dauerte etwa eine Stunde Autobahnfahrt und kostete nur fünf Euro. Ich döste während der Fahrt. Die Landschaft war nicht besonders.

Der Bus hielt in einer Art Tiefgarage, ich stieg in ein Taxi um. Langsam wurde ich wacher. Wir fuhren durch Jerusalem, durch den jüdischen Teil der Stadt. Ich sah viele orthodoxe Juden. Mit kleinen oder großen schwarzen Hüten auf dem Kopf. Mit langen Locken an den Seiten, in schwarzen Anzügen und weißen Hemden. Rabbis und Religionsschüler. Es waren auf einmal so viele, dass ich dachte, hier ist doch etwas anders. Hier zeigen die Menschen tatsächlich, welchen Glauben sie haben. Die eine Eigenschaft, die sie von den anderen unterscheidet, ist hier nicht nur ein Detail, es scheint ein Hauptmerkmal. Und dann, wir waren schon fast auf dem Ölberg, sah ich den Tempelberg und die goldene Kuppel des Felsendoms. Aus der Ferne von der anderen Seite der Stadt in der Sonne leuchten. Fast selbst wie eine Sonne. Das war wirklich ein ganz besonderer Moment.

Ich war kurz davor den Taxifahrer zu bitten, doch anzuhalten. Ich hatte das Gefühl jetzt stehen bleiben zu müssen und zu schauen. Doch ich sagte nur, dass er ein bisschen langsamer fahren sollte. Was er schon längst tat, weil er wusste wie diese Aussicht auf Fremde wirkt. Bald waren wir auf dem Gelände der Auguste Viktoria Stiftung und der evangelisch-lutherischen Himmelfahrtskirche, im dazugehörigen Begegnungszentrum habe ich ein Zimmer. Jetzt bin ich hier und habe das Gefühl, mich von jedweder Auslegung, Seite oder Partei distanzieren zu müssen. Ob Juden, Muslime oder Christen jeder beansprucht einen Teil des Ölbergs oder die richtige Auslegung. Denn im jüdischen Glauben wird der Messias erst noch über den Ölberg nach Jerusalem einziehen und die Muslime glauben, dass in der Endzeit ein Seil vom Tempelberg zum Ölberg gespannt wird, über das die Gerechten gehen werden. Und schon an meinem ersten Ort in dieser Stadt zeigt sich der gesamte Konflikt.

Jeder Stein hat in Jerusalem eine Bedeutung und drehen ihn die Muslime zum Beispiel um, sagen die Juden, ah, ihr habt ihn umgedreht, jetzt gehört er uns und die Christen sagen, wir passen aber schon seit zweitausend Jahren auf diesen Stein auf. Es ist zum Verzweifeln. Wenn es hier nicht so schön wäre, und es heute tatsächlich schon für einen Moment lang magisch, dann würde ich wieder fahren.