Die Aufständischen bestehen auf vorzeitigem Rückzug Gaddafis - auch Clinton sagt: Friedensplan nur ohne Gaddafi. Nato ist skeptisch.

Bengasi/Tripolis/Kairo. Die Rebellenfront vertritt weiter klare Positionen im Libyen-Konflikt. Die Aufständischen haben den von der Afrikanischen Union (AU) vorgeschlagenen Waffenstillstand für das Land abgelehnt. Der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrats der Rebellen, Mustafa Abdel Dschalil, sagte am Montag vor Journalisten, zunächst müssten sich Machthaber Muammar el Gaddafi und seine Führungsmannschaft zurückziehen. „Das haben wir von Anfang an gefordert, Gaddafi und seine Söhne müssen umgehend abtreten, wenn sie in Sicherheit sein wollen“, fügte er in der von den Aufständischen kontrollierten Stadt Bengasi im Osten des Landes hinzu. „Der Zeitpunkt für die uns heute vorgelegte Initiative ist verpasst“, sagte er, „Wir werden nicht auf dem Blut unserer Märtyrer verhandeln.“ Der Vorschlag gehe nicht auf die Wünsche des libyschen Volkes ein.

Dschalil war bis Ende Februar Justizminister in Gaddafis Regierung. Am Freitag will er nach Rom reisen, um mit der italienischen Regierung über den Konflikt in seinem Land zu sprechen.

„Zur Frage Gaddafis und seiner Söhne gibt es keine Verhandlungen“, hatte zuvor bereits ein Mitglied des Übergangsrats, Ahmed al Adbor, erklärt. Der italienische Außenminister Franco Frattini unterstützte diese Position: Für Gaddafi und seine Familie gebe es keine politische Zukunft in Libyen, sagte Frattini dem französischen Rundfunksender Europe-1. Gaddafis Abgang müsse „parallel“ mit einem Waffenstillstand erfolgen.

Auch in den USA und in Europa traf der AU-Plan auf Ablehnung, weil darin kein Machtverzicht Gaddafis vorgesehen war. Die Nato kündigte an, ihre Luftangriffe auf Gaddafis Truppen zum Schutz von Zivilisten fortzusetzen. Die Hoffnungen ruhen nun auf dem Treffen der Libyen-Kontaktgruppe am Dienstag und Mittwoch in Katar, zu dem auch Außenminister Guido Westerwelle reist. Dort soll über die Bedingungen für eine Waffenruhe beraten werden.

Die im Libyen-Konflikt vermittelnde AU hatte am Sonntag eine Waffenruhe vorgeschlagen. Ihr Friedensplan sah zudem einen Dialog zwischen der Regierung in der Hauptstadt Tripolis und den Aufständischen, eine Erleichterung der humanitären Hilfe sowie einen besseren Schutz von Ausländern in dem Land vor. Gaddafis Regierung erklärte, den Vorschlag annehmen zu wollen. Die AU teilte am Montag mit, Gaddafi habe einem „effektiven und glaubwürdigen Kontrollsystem“ zugestimmt. Die AU-Vermittler unter Leitung des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma reisten daraufhin nach Bengasi weiter, um mit den Rebellen zu verhandeln.

Die AU-Delegation wurde in Benghasi aber nicht mit offen Armen empfangen: Bei ihrer Ankunft kam es zu einem Protest von 3000 Demonstranten, die Plakate hochhielten, auf denen „Afrikanische Union – Nimm Gaddafi mit„ oder „Gaddafi hat Völkermord verübt“ stand. Die Rebellen bemängelten auch, dass der Friedensplan, der eine Reform des politischen Systems vorsehe, anstatt wie von ihnen gefordert eine Neugestaltung.

Gaddafi wird von zahlreichen Ländern der AU unterstützt. Er selbst war vor zwei Jahren Vorsitzender der Organisation und ließ ihr finanzielle Mittel zukommen. Daher war nicht klar, ob die Opposition die AU als Vermittler akzeptieren würde.

Nato skeptisch

Schon vor den Rebellen äußerte sich die Nato skeptisch. Eine in dem Plan vorgesehene Feuerpause müsse glaubwürdig und überprüfbar sein, forderte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel. Die Allianz halte an den Luftangriffen fest, solange Gaddafi-Truppen Zivilisten gefährdeten. Italien kündigte für Dienstag Beratungen mit Großbritannien und Frankreich über einen höheren militärischen Druck auf Gaddafi an. Die Verteidigungsminister der Länder würden darüber bei einem Treffen in Italien sprechen, sagte Außenminister Franco Frattini. Großbritannien, Frankreich und Italien sind maßgeblich für die Flugverbotszone über Libyen verantwortlich. Die Nato hatte ihre Angriffe auf Gaddafi-Truppen am Wochenende wieder verstärkt, nachdem die Rebellen ihr vorgeworfen hatten, zu langsam zu reagieren.

In der Küstenstadt Misrata kam es erneut zu schweren Gefechten. Die Rebellen erklärten, Gaddafis Soldaten hätten die seit sechs Wochen umkämpfte letzte Bastion der Aufständischen im Westen Libyens schwer unter Beschuss genommen. Fünf Menschen seien getötet und 20 verletzt worden, zitierte der Fernsehsender Al-Dschasira einen Sprecher der Rebellen.

„Es hat momentan nicht den Anschein als ob diese Andeutung eines Waffenstillstands Substanz hat“, sagte ein Nato-Vertreter. Ähnlich zweifelnd äußerten sich die USA und die Bundesregierung. Die Bemühungen um einen Waffenstillstand seien richtig, sagte Westerwelle: „Aber bisher hat das Regime Gaddafi allen Ankündigungen niemals Taten folgen lassen.“

Clinton: Friedensplan muss Gaddafis Rücktritt beinhalten

Die USA pochen darauf, dass ein Friedensplan für Libyen zu einem Rücktritt von Muammar al-Gaddafi führen und einen Übergang zu einer demokratischen Führung beinhalten muss. „Es muss einen Übergang geben, der den Willen des libyschen Volkes widerspiegelt und den Abschied Gaddafis von der Macht bringt“, sagte Außenministerin Hillary Clinton am Montag zum jüngsten Friedenskonzept der Afrikanischen Union, das unter anderem einen Waffenstillstand beinhaltet.

Gaddafi müsse seine Truppen aus den von ihnen gewaltsam eingenommenen Gebieten zurückziehen und die Versorgung mit Elektrizität und Wasser sowie andere Dienstleistungen wiederherstellen, forderte Clinton nach einem Treffen mit ihrem finnischen Kollegen Alexander Stubb in Washington. Außerdem müsse die Regierung humanitäre Hilfe für jene zulassen, die sie benötigten. „Diese Bedingungen sind nicht verhandelbar“, sagte die Ministerin.

Zuma fordert Ende der Luftangriffe

Die Gesandten bemühen sich um einen sofortigen Waffenstillstand, die Öffnung sicherer Korridore für Hilfslieferungen, den Schutz von Ausländern in Libyen sowie um einen Dialog zwischen Regierung und Opposition. Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma hatte bereits am Sonntag erklärt, Gaddafi habe einem Plan der AU für einen Waffenstillstand zugestimmt.

In Kürze werde man einen Vorschlag für eine politische Lösung des Konflikts vorlegen, sagte Zuma in Gaddafis Residenz. Er forderte die NATO auf, ihre Luftangriffe zu beenden und „der Waffenruhe eine Chance zu geben“. Nicht erwähnt wurde in dem AU-Plan, ob Gaddafi seine Truppen aus den Städten abziehen muss, wie die Opposition es fordert.

Der Vorsitzende des Friedens- und Sicherheitsrats der AU, Ramtane Lamamra aus Algerien, erklärte, die Forderung nach einem Truppenrückzug sei diskutiert worden. Dies sei jedoch vertraulich.

Gaddafi hat den Waffenstillstand gebrochen, den er ausrief, nachdem im März die internationalen Luftangriffe beschlossen worden waren. Er lehnt die Forderungen der Aufständischen nach einem Rücktritt ab.

Der Sprecher des britischen Premierministers David Cameron, Steve Field, sagte, die NATO werde ihre Luftangriffe erst einstellen, wenn sichergestellt sei, dass Gaddafi sich an eine Waffenruhe halte. „Ob es einen Waffenstillstand gibt oder nicht, liegt in Gaddafis Händen. Wir müssen ihn nach seinen Taten beurteilen und nicht nach seinen Worten“, sagte Field.

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Polenz: Keine deutschen Waffen für Rebellen in Libyen

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz, hat sich klar gegen eine Waffenlieferung der westlichen Staaten an die Rebellen in Libyen ausgesprochen. „Deutschland und die anderen Nato-Staaten sollten keine Waffen und militärische Fahrzeuge an die Rebellen liefern“, sagte der CDU-Politiker dem "Hamburger Abendblatt". Bei den Rüstungsexporten nach Libyen dürfe das Embargo nicht nur für die Truppen Gaddafis gelten, hob Polenz hervor. Denn die Resolution der Vereinten Nationen zu dem Einsatz beinhalte ein komplettes Waffenembargo, sagte der Außenpolitik-Experte.

Gleichzeitig forderte Polenz die Bundesregierung dazu auf, sich stärker für die Einbindung der arabischen Staaten in die Uno-Mission einzusetzen. „Arabische Nationen könnten sich auch bei der Sicherung der Seewege in dem Krisengebiet beteiligen“, sagte Polenz. Nur durch die Einbindung dieser Länder könne der Westen verhindern, dass Gaddafis Propaganda eines neokolonialen Angriffskrieges des Westens bei den Menschen auf fruchtbaren Boden falle, ergänzte der CDU-Politiker.

(Mit Material von afp/dapd/dpa)