US-Präsident Obama lässt den libyschen Diktator abblitzen. Bereitet Gaddafi sein Exil vor? Amnesty fordert eine Luftbrücke für Flüchtlinge.

Tripolis/Washington. Luftangriffe der Nato haben offenbar erneut libysche Rebellen an der Front getroffen. Mehrere ihrer Panzer seien von Bombardements der Allianz zerstört worden, sagten Milizionäre, die auf der Flucht von ihrem Aufenthaltsort vor der Ölstadt Brega in Richtung Adschdabija im Osten des Landes waren. Es war zu sehen, wie Dutzende Fahrzeuge die Frontlinie fluchtartig verließen, darunter Rettungswagen und mit Waffen ausgestattete Fahrzeuge der Rebellen. Die Nato kündigte eine Untersuchung der Vorwürfe an.

Dabei hatten die Rebellen Erfolge gemeldet. Die Gegner des Gaddafi-Regimes haben in der Nacht zum Donnerstag östlich des Öl-Hafens Brega wieder Bodengewinne verzeichnet, berichtete ein dpa-Mitarbeiter aus der 80 Kilometer östlich gelegenen Stadt Adschdabija. Die Aufständischen waren von den an Waffen und Soldaten überlegenen Gaddafi-Truppen am Tag zuvor vollständig aus Brega verdrängt worden. Militärführer und Sprecher der Regimegegner in ihrer Metropole Bengasi hatten zuletzt die Nato kritisiert, die bei ihren Lufteinsätzen nicht genügend entschlossen gegen Gaddafi-Streitkräfte am Boden vorgehen würde. Die westliche Allianz hatte diese Vorwürfe zurückgewiesen. Die Gaddafi-Artillerie beschoss indes zwei Ölfelder im Osten Libyens, die von den Regimegegnern kontrolliert und genutzt werden. Die Produktion der Ölfelder Misla und Waha-Oase habe daraufhin eingestellt werden müssen, zitierte der Fernsehsender al-Dschasira einen Sprecher der Aufständischen. Am Mittwoch hatte erstmals ein Öltanker den Hafen Tobruk verlassen, der Öl von diesen Feldern geladen hatte.

US-Außenministerin Hillary Clinton hat sich derweil unbeeindruckt von Muammar al-Gaddafis Schreiben an die Regierung in Washington gezeigt. „Es ist überhaupt kein Geheimnis, was derzeit von Herrn Gaddafi erwartet wird“, sagte Clinton. Je früher „das Blutbad aufhört, desto besser ist das für alle“. Gaddafi müsse sich daher zu einem Waffenstillstand bekennen und seine Truppen abziehen. Zudem forderte Clinton eine Entscheidung „hinsichtlich seines Machtverzichts und (...) seiner Ausreise aus Libyen“.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, hatte zuvor bestätigt, dass Gaddafi einen Brief an US-Präsident Barack Obama geschrieben habe. „Offensichtlich war es nicht der erste“, sagte Carney, ohne Angaben zum Inhalt des Schreibens zu machen. Der Sprecher machte deutlich, dass aus Obamas Sicht ein Waffenstillstand in Libyen von Taten abhänge, „und nicht von Worten“. Die USA hatten am Montag ihre aktive Beteiligung an Kampfeinsätzen im Rahmen des internationalen Militäreinsatzes in Libyen beendet. Das Kommando hatte zuvor bereits die Nato übernommen.

Nach der Flüchtlingstragödie im Mittelmeer hat Amnesty International eine Luftbrücke zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung Libyens gefordert. Die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Monika Lüke, sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Derzeit flüchten jeden Tag 2500 Menschen aus Libyen, weil es an Nahrung und Medikamenten fehlt oder ihnen Verfolgung droht.“ Jenseits der libyschen Grenzen harrten weit mehr als 200.000 Flüchtlinge aus. Diese Menschen müssten aus der Luft mit Nahrung und Medikamenten versorgt werden, appellierte Lüke an die internationale Gemeinschaft.

„Wenn die Vereinten Nationen in Libyen schon eingreifen, dann müssen der Schutz und die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung im Vordergrund stehen“, sagte Lüke. Der Europäischen Union warf sie vor, „trotz der akuten Krise in der arabischen Welt in der Flüchtlingspolitik nichts gelernt“ zu haben. Die EU setze weiter auf Abschottung statt auf Humanität. Es dürfe aber nicht sein, dass die EU und ihre Mitgliedsländer in erster Linie Boote auf das Mittelmeer schickten, um Flüchtlinge abzuwehren. Vielmehr sollten sie Flüchtlinge aus Libyen aufnehmen – wie es die EU-Kommission vorgeschlagen habe.

Die Küstenwache von Italien und Malta sucht weiter nach Überlebenden der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa. Wie das Hafenamt der italienischen Mittelmeerinsel bestätigte, stieg die Zahl der Geretteten inzwischen auf 53. Die Hoffnung, weitere Überlebende bergen zu können, sei hingegen gering. „Aber man darf nichts unversucht lassen“, erklärte der Kommandant der Küstenwache, Pietro Carosia. „Unsere Hoffnung ist es, vielleicht noch jemand zu finden, der sich an einem Wrackteil festklammern konnte“.

Die Behörden befürchten, dass beim Kentern eines libyschen Flüchtlingsschiffes in der Nacht zum Mittwoch zwischen Malta und Lampedusa bis zu 250 Menschen ertrunken sind. Der nur 13 Meter lange Kahn war nach zwei- bis dreitägiger Seereise völlig überladen in einen schweren Sturm geraten. Die Geretteten wurden nach Lampedusa gebracht und dort versorgt. Sie sollten am Donnerstag in ein Auffanglager in Italien verlegt werden. Die Opfer stammten aus Eritrea, Somalia, Schwarzafrika und der Elfenbeinküste, berichtete das Uno-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR. (dpa/dapd/AFP/epd)