Der DNA-Test beweist: Der 20-Jährige mit dem Koffer ist nicht der Vater des kleinen Mädchens. Das Baby könnte er aber zum CCH gebracht haben.

Hamburg. Die Ermittler im Fall des ausgesetzten Babys Marie sind einen Schritt weitergekommen - aber es ist wohl ein Schritt zurück. Denn näher an die Eltern des Kindes haben die Ermittlungen die Polizei wohl nicht geführt. Wie eine DNA-Analyse ergab, ist der in der vergangenen Woche vernommene 20-jährige Hamburger, nach dem wochenlang gefahndet worden war, nicht der Vater des kleinen Mädchens, gab Polizeisprecher Holger Vehren gestern bekannt.

Dieses Ergebnis war mit Spannung erwartet worden, hätte es doch einen direkten Bezug zwischen dem Verdächtigen und dem derzeit in einer Pflegefamilie lebenden Kleinkind bewiesen. So aber tappt die Polizei weiter im Dunkeln. Die Ermittlungsbehörden behalten den 20-Jährigen dennoch im Fokus - nicht ohne Grund: Der junge Mann ist der einzige Anhaltspunkt, den die Fahnder nach zwei Monaten Ermittlungsarbeit überhaupt haben.

Wenn der junge Mann nicht der Vater ist, könnte er im Auftrag eines Dritten gehandelt haben, heißt es dann auch aus Ermittlerkreisen. Nachdem der Gentest nicht die erhoffte Aufklärung des Falls brachte, setzen die Ermittler auf andere Spuren. So sollen Faserreste von der Kleidung Maries und aus dem Koffer, in dem sie gefunden wurde, mit den Sachen des als "Koffer-Mann" bekannt gewordenen Heranwachsenden verglichen werden. Ebenso soll geklärt werden, ob er Maries Koffer überhaupt berührt hat. Und: "Wir klopfen derzeit sein weibliches Umfeld ab", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Der 20-Jährige war erst nach zwei Monaten Öffentlichkeitsfahndung am vergangenen Donnerstag von einer Zeugin erkannt und am Tag darauf von der Polizei befragt worden. Der junge Mann war ins Visier der Ermittler geraten, weil er kurz vor der Tat von Überwachungskameras am Bahnhof Dammtor aufgenommen worden war und einen Koffer derselben Marke transportierte, in dem später auch Marie von einem Pförtner des Congress Centers Hamburg (CCH) gefunden wurde.

Allerdings gab es von Anfang an Zweifel an der Theorie der Polizei: Die Ermittler nehmen an, dass sich der 20-Jährige eines Koffer-im-Koffer-Tricks bediente. Das Omica-Gepäckstück, in dem Marie entdeckt wurde, soll er in einem größeren Koffer derselben Serie transportiert haben. Grund dieser Annahme: Der Trolley, den die Überwachungsbilder in der Hand des 20-Jährigen zeigen, ist viel größer als der, in dem Marie später gefunden wurde. Vor einem Hintereingang des CCH soll er den Koffer mit Marie abgestellt haben und mit dem größeren weitergegangen sein.

Der Verdächtige, von dem bislang weder bekannt war, wie er heißt oder wo genau er in Hamburg wohnt, hatte jegliche Beteiligung an der "Ablegetat" bestritten. Er zeigte sich bislang jedoch kooperativ und gab am Donnerstag auch eine Speichelprobe ab, die zu dem gestern veröffentlichten Ergebnis führte. Sollte sich die Beweislage dennoch irgendwann gegen ihn richten, könnte er wegen Aussetzung und versuchten Totschlags angeklagt werden. Bislang wird gegen ihn wegen eines Anfangsverdachts ermittelt. Die Polizei hat mittlerweile die Wohnung des Mannes durchsucht und den schwarzen Omica-Koffer beschlagnahmt, mit dem er am Dammtorbahnhof gefilmt worden war.

Aufgrund der nur stockend eingehenden Hinweise im Fall Marie hatte die Polizei die aktive Suche nach dem Verdächtigen und den Eltern des Mädchens bereits nach drei Wochen eingestellt. Dass sich Wochen später doch noch eine Zeugin meldete, die den Gesuchten kannte, damit hatte wohl niemand mehr gerechnet. Warum sich der 20-Jährige nicht selbst meldete, begründete er gegenüber den Ermittlern damit, dass er die im Fernsehen und in allen Hamburger Zeitungen laufende Fotofahndung nicht bemerkt habe. Ob er in der Zeit nicht in Hamburg weilte und welche Beziehung zwischen ihm und der Zeugin besteht, die ihn der Polizei meldete, ist nicht bekannt.

Findelbaby Marie lebt inzwischen bei einer Adoptivpflegefamilie, die ebenfalls anonym gehalten wird. Derzeit hat das Jugendamt die Vormundschaft. Schon im Krankenhaus hatte Marie sich prächtig entwickelt. Davon war nicht auszugehen, denn das Mädchen hatte einen denkbar schlechten Start ins Leben: Am Abend des 4. Januar herrschten Minustemperaturen. Das erst einen Tag alte, 2200 Gramm schwere und 45 Zentimeter große Mädchen war bereits unterkühlt und hatte kaum Luft bekommen können, bis es von dem Pförtner Habib Naji gefunden wurde.