Findelbaby Marie geht es gut. Es war in der Nacht in einem Koffer vor dem Congress Center Hamburg ausgesetzt worden. Nach der Mutter sucht die Polizei.

Hamburg. Das Findelbaby Marie, das am Dienstagabend vor dem Congress Center Hamburg (CCH) in einem Koffer ausgesetzt worden war, ist wohlauf! Ärzte des Kinderkrankenhauses Altona gaben am Mittag bekannt, dass Marie - so wird das Baby von den Schwestern genannt - einen Tag alt und trotz der Strapazen völlig gesund sei. „Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es in irgendeiner Weise misshandelt worden ist“, ergänzte Polizeisprecher Mirko Streiber. Die Mutter habe vermutlich in einer Notlage gehandelt und wollte, dass ihr Kind gefunden wird.

Als das Baby in dem schwarzen Koffer vor dem Congress Center Hamburg (CCH) von Pförtner Habib Naji (60) gefunden wurde, trug es einen Strampler, ein warmes Nicki-Jäckchen, eine Mütze und sei zudem in einen etwas zu großen Kinderschneeanzug eingewickelt gewesen, so die DRK-Rettungsassistentin Syzane Tetaj. Mit einem Gewicht von 2200 Gramm und einer Länge von 45 Zentimetern sei Marie sehr klein und müsse noch überwacht werden, erklärt Rainer Süßenguth vom Kinderkrankenhaus Altona. Das Kind sei aber nicht zu früh und sicher nicht in einem Krankenhaus zur Welt gekommen. Die Mutter wird jetzt von der Polizei gesucht. Dabei werden auch Videoaufnahmen aus den Überwachungskameras des nahe gelegenen Dammtor-Bahnhofs ausgewertet. Möglicherweise brauche sie selbst ärztliche Hilfe und sollte sich schon deshalb bei der Polizei melden, sagte Streiber.

Die Mordkommission des Hamburger Landeskriminalamtes hat bei den Ermittlungen inzwischen eine erste Spur gefunden. Ein Bluthund hat im Bahnhof Dammtor Witterung aufgenommen, bestätigte ein Polizeisprecher. Ein Hundeführer hatte das speziell ausgebildete Tier zuvor an dem schwarzen Trolley schnuppern lassen. Der Bahnhof ist nur wenige Meter vom Fundort des Koffers, in dem das Baby lag, entfernt. Die Beamten hatten mit dem Tier die beiden Bahnsteige abgesucht, als der Bluthund plötzlich anschlug. Ob die Spur auf dem Bahnsteig für S-Bahnen oder Fernzüge gefunden wurde, wollte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen noch nicht bekannt geben.

Der schwarze Trolley mit dem Säugling war am Eingang E des CCH abgestellt worden. Da bei den Pförtnern jedes Jahr Hunderte herrenlose Taschen und Koffer abgegeben werden, dachte sich Pförtner Habib Naji zunächst nichts dabei, als er den Koffer entgegennahm. Ein Passant hatte auf den Trolley hingewiesen. Der Mann meldete sich am Mittwoch bei der Polizei, nachdem der Babyfund bekannt geworden war. Naji stellte den Koffer zunächst in einen Nebenraum, um ihn auszuhändigen, falls sich der Besitzer gemeldet hätte. Das Wimmern hielt der 60-Jährige zunächst für Töne aus dem Fernseher oder eines Handys. Als er dann das Baby im Koffer entdeckte, schossen ihm die Tränen in die Augen, erzählt CCH-Sprecher Karsten Broockmann. Naji sei selbst Vater und Großvater und arbeite seit vielen Jahren im CCH.

Marie ist seit langem das erste Neugeborene, das in Hamburg ausgesetzt wurde. Nach Angaben des Projekts Sternipark hat es einen solchen Fall seit Einrichtung der ersten Babyklappe im Jahr 2000 nicht mehr gegeben. Hamburg war damals Vorreiter. Inzwischen gebe es bundesweit 97 dieser Einrichtungen in mehr als 80 Städten und eine kostenlose bundesweite Notrufnummer.

In der Hansestadt bieten zwei Babyklappen in Altona und Wilhelmsburg verzweifelten Müttern die Möglichkeit, ihr ungewolltes Kind anonym in Sicherheit zu bringen. Seit 2000 wurden bisher laut Sternipark 40 Säuglinge abgegeben. 14 Mütter hätten sich innerhalb der Bedenkzeit von acht Wochen gemeldet, ihr Kind aus der Pflegefamilie geholt und wieder zu sich genommen, erläuterte die Leiterin des Projekts, Leila Moysich. Wäre Marie in eine Babyklappe gelegt worden, hätte sich ihre Mutter nicht strafbar gemacht, erklärte Sternipark-Unterstützer und Rechtsanwalt Kurt Groenewold. Nun müsse sie sich verantworten, weil sie ihr Kind gefährdet und hilflos zurückgelassen habe.

Marie wurde noch in der Nacht zu Mittwoch intensiv von Rechtsmedizinern untersucht. Dabei wurden keine Hinweise auf körperliche Misshandlungen festgestellt. Nach Einschätzung der Ärzte hätte das Baby bei den niedrigen Außentemperaturen allerdings maximal eine Stunde in dem Koffer überlebt. Bei optimalem Verlauf kann Marie laut Krankenhaus schon in wenigen Tagen in eine Pflegefamilie gegeben werden.