Auf der Kartbahn in Kerpen-Manheim hat Michael Schumachers Karriere begonnen. Noch heute kehrt der Formel-1-Weltmeister gern zu seinen Wurzeln zurück.

Heute ist doch dem Mischael sein Wetter", klagt die Frau hinter dem Tresen, und ihr Kollege nickt. Es regnet seit Stunden. Auf dem Asphalt haben sich kleine Pfützen gebildet. Es ist rutschig dort draußen. Das verhagelt das Gastronomie-Geschäft. Das Restaurant ist seit Stunden leer, die Küche kalt, und auf der Kartrennbahn nebenan sind nur die dumpfen Geräusche der nahe gelegenen Autobahn A 4 zu hören. "Das ist wieder einer dieser Wochentage zum Vergessen", weiß der Mann. Gerade zwei Leute haben heute vorbeigeschaut. "Wenigstens am Wochenende war es voll", sagt die Frau.

Kerpen-Manheim, Erftlandring, westlich von Köln. Die Erinnerungen hängen an den Wänden. Michael Schumacher in allen Größen und fast immer mit Pokalen. Hier, in einer alten Kiesgrube, hat die wohl größte Karriere des deutschen Sports 1980 Fahrt aufgenommen, im benachbarten Ortsteil Horrem hatte sie 1973 begonnen. Mit vier Jahren saß der spätere siebenmalige Formel-1-Weltmeister hinter dem Steuer eines von seinem Vater umgebauten Kettcars, das von einem Fünf-PS-Mofamotor angetrieben wurde, und drehte seine Runden - am liebsten im Regen. "Da war ich meistens allein auf der Strecke, da fiel die Unterlegenheit meines Gefährts nicht so auf, ganz zu schweigen davon, dass mir das Driften bei Nässe viel Spaß machte."

Michael Schumacher, der einstige Regenkönig der Formel 1, erzählt diese Geschichten gern, und er erzählt sie wieder öfter in Kerpen-Manheim, seit er nicht mehr seinen Ferrari um die Rennstrecken der Welt jagt. "Vier- bis fünfmal im Jahr schaut der Michael jetzt vorbei, und er hat meist eine Videokamera dabei, setzt sich auf die Reifenstapel und filmt die Talente unseres Kart-Klubs", sagt Wilfried Müchen. Dafür blieben nach dem Rücktritt Ende 2006 die "Schumi"-Fans aus. "Vor ein paar Jahren war die Bahn eine Art Wallfahrtsort für die Ferraristi. Die kamen aus aller Welt und haben manchmal den Ring in Rot getaucht." Müchen ist Mechaniker und arbeitet in der Werkstatt neben der Kartbahn. Seit 20 Jahren ist der Platz sein zweites Zuhause. "Früher bin ich selbst Rennen gefahren, heute repariere ich die Karts. Ein schöneres Leben gibt es nicht." Das Geschäft scheint zu laufen. Die aufgeräumte Garage wirkt wie ein Operationssaal, klinisch sauber, makellos rein, die weißen Wände verstärken im Neonlicht den Eindruck von Professionalität.

Wer die Bundesstraße 477 verlässt, muss vom Gas gehen. Der Schotterweg bergab ist kurvenreich und steil, Bodenschwellen mahnen alle 50 Meter zum Bremsen. Unten, im Talkessel, öffnet sich dem Motorsportfan das Herz: 1107 Meter Rennstrecke, sieben Meter breit, auf den Anhöhen von einem kleinen Wäldchen umgeben. Zehn anspruchsvolle Kurven lassen das Adrenalin schon vor dem Start schießen. Sie sind die Attraktion dieser (Kult-)Stätte:

Nach dem Start die schnelle Rechts (1), dann die Spitzkehre (2), die engste Kurve der Bahn. Die schnelle Links (3) führt ins Wäldchen, die Leihkartkurve (4) an der separaten Kleinbahn für Anfänger vorbei. Im Waldgeschlängel (5) folgt eine schnelle S-Kurve, die anschließende lange Linkskurve (6) fordert Gefühl. Die Tripskurve (7), nicht einfach, ist dem Gedenken an Wolfgang Graf Berghe von Trips gewidmet, dessen Name bei Gründung des Vereins 1961 Pate stand. Am 10. September des Jahres war Trips im Kampf um den Formel-1-Weltmeistertitel in Monza in den Tod gerast. In der Mutkurve (8) lassen die Besten den Fuß auf dem Gaspedal. Die Schumacher-Schikane (9) folgt, zum Abschluss die Fahrerlagerkurve (10). Auch hier gilt: Wer zu früh bremst, kommt zu spät. Die Schnellsten brauchen für den Rundkurs 42 Sekunden.

Im Jahre 871 wurde Kerpen, damals Kerpinna, erstmals erwähnt, aber erst mehr als 1100 Jahre später wurde der Ort am Rheinzufluss Erft, 63 000 Einwohner in zwölf Stadtteilen, berühmt. Das hatte zuvor nicht einmal Ludwig van Beethoven (1770-1827) geschafft, der ein paar Jahre lang in Kerpen wohnte. Aber nicht nur Schumacher hat sich auf dem Erftlandring den Schliff für seine Karriere geholt. Sein Bruder Ralf, Heinz-Harald Frentzen, Nick Heidfeld und die aktuelle deutsche Hoffnung Sebastian Vettel haben im Kart-Club Kerpen-Manheim, Deutschlands größtem und erfolgreichstem, das Leben am Limit gelernt. Zumindest Michael Schumacher profitierte meisterhaft von dieser Kart-Schule, wenn er "mit Bremse und Gas spielt, um das Auto möglichst schnell und stabil um die Kurve zu bekommen", wie das Fachmagazin "F1 Racing" schrieb.

Kerpen-Manheim wird es in wenigen Jahren nicht mehr geben. Der Stadtteil muss dem Braunkohle-Tagebau weichen. Die Menschen haben bereits ein Ausweichquartier. Die Kartbahn darf bleiben. Nicht, weil sie Geschichte geschrieben hat, sondern weil sie im Randgebiet liegt. Michael Schumacher hat vorgesorgt. Am anderen Ende der Stadt, im Gewerbegebiet Sindorf, hat er ein Kart-Event-Center bauen lassen. Dort, in der Michael-Schumacher-Straße 5, gibt es auch eine Halle zum Kartfahren. Regen ist gut für sein Geschäft.