Auf dem “Schulschiff Deutschland“ wurden früher Matrosen ausgebildet. Heute Manager. Also, immer noch was los. Nur in See stechen wird das Schiff nie mehr.

Der Name klingt amtlich: "Schulschiff Deutschland" steht in goldenen Buchstaben auf dem weißen Rumpf. "Bundesausbildungsbehörde für den seemännischen Dienst" oder irgendetwas ebenso schön Offizielles könnte klein darunter stehen. Tut es aber nicht: "Bett&Bike" heißt es vielmehr auf einem Schildchen an der Gangway zu dem großen Dreimaster, der da in Bremen-Vegesack liegt. Ein eleganter weißer Windjammer, festgemacht an großen Stahlpfählen in der Mündung von der Lesum in die Weser. Es ist ein merkwürdiger Kontrast, den die Szenerie bietet: Vier Apartmenthäuser einer Seniorenresidenz sind direkt neben dem historischen Segelschiff ans Ufer gebaut, in der Nachbarschaft der Neubau eines riesigen Einkaufszentrums. Es ist altes Werftgelände, in dessen Nähe das frühere Ausbildungsschiff der deutschen Handelsmarine heute seine feste Heimat hat. Der Bremer Vulkan hatte hier sein Areal. In den 1990er-Jahren war die Werft finanziell abgesoffen - seitdem versucht Bremen dort den Strukturwandel.

Am gegenüberliegenden Ufer haben die Traditionswerften Abeking&Rasmussen und Lürssen die Werftenkrise jedoch überlebt. Dort glänzt der Lack eines neuen Forschungsschiffs in der Sonne. Auch auf der "Schulschiff Deutschland" glitzert neue Farbe, Messingbeschläge sind poliert und unter Deck riecht es würzig nach Holz und geteertem Hanf-Tauwerk - ganz so, als könne das Schiff morgen wieder mit Ziel Buenos Aires ablegen. Doch auf dem "weißen Schwan der Unterweser" sind lange keine Segel mehr gesetzt worden. "Die meisten wurden wohl schon in den 50er-Jahren ausgemustert", sagt Wulf Dominik, ein hochgewachsener, graubärtiger Fregattenkapitän a. D., Geschäftsführer des Deutschen Schulschiff Vereins. Ein Verein, der bereits 1900 gegründet worden ist. Damals setzten sich gerade die Dampfschiffe durch, verdrängten die Frachtsegler, die Ausbildung aber war aus Sicht der Vereinsgründer, meist Reeder, am besten in der harten Schule der Segelschifffahrt möglich. Der Kaiser selbst spendierte 5000 Mark aus seiner Privatkasse in die Gründung. Sechs Schiffe ließ der Verein in den Folgejahren bauen oder umbauen. Schulschiffe im Wortsinn; Frachten wurden anders als später auf "Pamir" oder "Passat" nicht gefahren. 1927 lief "Schulschiff Deutschland" als Flaggschiff des Vereins vom Stapel. Bis 1939 machte sie zwölf Überseereisen mit jeweils bis zu 140 Zöglingen an Bord, wie angehende Matrosen genannt wurden. Eltern zahlten 250 Mark, damit ihre Jungs eine Ausbildung bekamen. Vielfach sponserten Reeder die Fahrten. Auch im Krieg gab es noch viele Ausbildungsfahrten, allerdings nur noch auf der Ostsee. Nach Kriegsende sollte das Schiff von den Engländern als Reparation abgezogen werden. So war es den anderen Schiffen des Vereins auch schon ergangen. Mit einiger List konnte der Verein es aber rechtzeitig nach Bremen schleppen lassen, in die Besatzungszone der USA.

1950 gab die Alliierte Hohe Kommission das Schiff zurück an Land und Verein. Schon bald wurde an Bord, zuletzt in Bremen, weiter ein Großteil der Matrosen der deutschen Handelsmarine ausgebildet. Zwar nicht mehr bei Atlantiktörns, das Schiff wurde jetzt eher eine Art Schulinternat für den Block-Unterricht, ohne jemals wieder auf große Fahrt zu gehen. Viele heutige Kapitäne lernten dort die handwerklichen Grundlagen ihres Berufes. 2001 schließlich wurde diese Seemannsausbildung in Bremen aufgegeben. "Seitdem ist unsere Hauptaufgabe, das Schiff als Kulturgut zu erhalten", sagt Fregattenkapitän a. D. Dominik. Der Verein macht das auf vielfache Weise, finanziert sich selbst: Bootsmann Ingo Müller-Fellnet, seit 34 Jahren an Bord, bildet in der Werkstatt keine Schiffsmechaniker mehr aus, sondern Ein-Euro-Jobber. Industrie-Kletterer aus ganz Deutschland üben für ihren Beruf in der 50 Meter hohen Takelage und wohnen dann in den Kojen unter Deck. Selbst mehrtägige Manager-Seminare finden an Bord statt. "Diese Schiffs-Atmosphäre, das Zusammenleben an Deck - das fördert den Teamgeist", sagt Dominik. Und dort, wo früher die Zöglinge eng an eng im Zwischendeck in Hängematten schliefen, ist längst ein edler Salon samt Tagungsraum eingebaut. Messing und Mahagoni statt rauer Bodenbretter bestimmen das Bild. Sponsoren und Vereinsmitglieder, Reedereien und Banken, haben den Umbau finanziert und veranstalten selbst dort Treffen. Auch als maritimes Hotel für Touristen ist der Dreimaster bekannt. Bestens überholt präsentiert sich das Schiff, nirgendwo blättert Farbe. In See stechen, bei leichter Brise mit Vollzeug übers Meer gleiten - das wird die "Schulschiff Deutschland" wohl nie mehr. Unbezahlbar, das Thema ist durch", sagt Vereinsgeschäftführer Dominik.