... machte die gleichen Fehler wie sein Vater: Er unterschätzte den Sohn.

Mit 66 fängt das Leben erst an. Das singt doch Udo Jürgens. Auf mich trifft das nicht zu. Mein Leben lief immer auf vollem Tempo. Ich war Stammgast im Hamburger Star-Club, wo ich Musikgrößen wie die Beatles und Jimi Hendrix fotografierte. Ich war auf den Studentenprotesten in Paris und Berlin, auf Ostermärschen und Anti-Atomkraft-Demonstrationen. Ich war immer ein politischer Mensch, hatte ein bewegtes Leben. Mit 50 Jahren wurde ich noch einmal überraschend Vater. Während ich mit meinen vier Töchtern Jennifer (28), Rebecca (26), Anna Lena (24) und Tine (21) immer ein super Verhältnis hatte, verbindet mich mit meinem Sohn Jonni (16) eine gewisse Konkurrenz: Er weiß alles besser. Meistens stimmt es auch, aber das will ich natürlich nicht zugeben. Schon als Kind ging er an meinen Computer, mischte sich in meine Arbeit ein. Ich habe das immer unterbunden, weil ich ihm nichts zutraute. Vielmehr wollte ich ihm Dinge beibringen, die ich selbst gar nicht besser wusste.

Mein Sohn fühlte sich nicht respektiert und beschwerte sich bei seiner Mutter Mackie (47). Sie hat mir die Augen geöffnet. Sie meinte: "Je mehr du ihm zutraust, desto mehr wird er auch können." Ich nahm mir das zu Herzen. Seit zwei Jahren läuft es mit Jonni bis auf Kleinigkeiten gut. Er hilft mir nebenbei im St.-Pauli-Museum und nimmt mir die Arbeit am PC ab. Rückblickend war ich ziemlich hart zu ihm. Bei meinen Töchtern habe ich nie die Messlatte so angelegt wie bei Jonni. Damit habe ich die gleichen Fehler gemacht wie mein Vater. Der hielt mich für einen Versager. Von sieben Kindern bin ich seine große Enttäuschung gewesen. In seinem Nachlass fand ich einen Brief, in dem er mich an das Kreiswehrersatzamt verpfiffen hat, nachdem ich den Kriegsdienst verweigert hatte. In dem Brief stand, ich würde den Wehrdienst antreten und wäre nur in schlechte Gesellschaft geraten. Das brachte mir eine Nacht im Gefängnis ein. Als Hippie passte ich nicht in sein Weltbild. Für ihn waren wir Gammler. Selbst als Kind habe ich ihn nie liebevoll erlebt. Wenn wir nicht spurten, setzte es was mit dem Knüppel. Oder er schlug uns mit dem Kleiderbügel auf die Hände. Später wollte er, dass ich Theologie studiere. Ich wollte aber Bildjournalist und Redakteur werden. Da gab er mir eine Liste mit den Ansprüchen an diesen Beruf. So wollte er mir sagen, dass ich mich selbst überschätzte. Damit ich ohne seine Zustimmung bei der Deutschen Presse-Agentur lernen konnte, klagte ich meine vorzeitige Volljährigkeit ein.

Mein Elternhaus habe ich danach komplett gemieden, lebte in einer Kommune und versuchte, Revolution zu machen. In der Kommune erlebte ich antiautoritäre Erziehung. Eines der Kinder einer Mitbewohnerin katapultierte seinen Brei regelmäßig mit dem Löffel an die Wand. Ich wäre bald wahnsinnig geworden. Wir haben nie komplett auf Erziehungsmaßnahmen verzichtet, sondern versucht, mit Argumenten zu erziehen. Und wenn die Kinder besser argumentierten, haben sie gewonnen.