... war beruflich sehr eingespannt und wurde erst spät Vater.

Mein Vater war gerade Anfang 20, als ich - sein Erstgeborener - zur Welt kam. Ich dagegen war schon Mitte 30 und habe lange überlegt, ob ich Kinder möchte. Wenn man das vergleicht, bin ich schon relativ spät Vater geworden. Anna Carolin (19) und Anna-Lena (15) sind beide Wunschkinder. Doch es war nicht einfach, den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig für die Kinder da zu sein. Manchmal habe ich mich schon gefragt, wie ich das alles unter einen Hut bringen soll. Die Kinder haben viel Freude, aber auch viele Anstrengungen mit sich gebracht. Erschwerend kam ein beruflicher Wechsel hinzu. Für den neuen Job als Personalleiter musste ich nach Weinheim ziehen. Meine Frau Susanne lebte noch ein Dreivierteljahr lang in Hamburg und war so mit unserer ersten Tochter auf sich allein gestellt. In dieser Zeit konnten wir uns nur jedes zweite Wochenende sehen. So habe ich die ersten Phasen in Anna Carolins Entwicklung verpasst, was ich sehr bedauere.

Was mir aus der Zeit deutlich in Erinnerung geblieben ist: Anna Carolin lag noch in den Windeln, als die Mauer fiel. Am 7. August 1961, eine Woche vor dem Mauerbau, waren meine Eltern mit mir in den Westen geflohen. Ich war zehn Jahre alt und konnte gar nicht verstehen, warum. Durch die Wiedervereinigung waren plötzlich wieder alle Verwandten da. Auch als Anna-Lena 1992 geboren wurde, war ich beruflich sehr eingespannt. Doch wenigstens lag meine Arbeitsstelle in der Nähe, sodass ich zu Mittag nach Hause kommen konnte. Trotz beruflicher Verpflichtungen habe ich versucht, meiner Frau mit den Kindern zu helfen. Jeden Morgen brachte ich Anna Carolin zur Kita. Gerade wenn man beruflich sehr eingespannt ist, ist es besonders wichtig, familiäre Rituale wie gemeinsame Mahlzeiten zu pflegen. Alle 14 Tage sind wir in ein griechisches Restaurant gegangen. Und sonntags haben wir im Schlafanzug ausgiebig gefrühstückt, manchmal bis mittags.

Beim ersten Kind versucht man alles richtig zu machen. Beim zweiten flauen die Erziehungsversuche schon etwas ab. Aber ich muss sagen, wir hatten mit den Mädchen kaum Schwierigkeiten. Sie haben nie gegen uns rebelliert. Es gab zum Beispiel nie Streit über Ausgehzeiten. Wenn sie sich mit Freundinnen treffen wollten, war klar, dass sie um 22 Uhr wieder zu Hause sein mussten. Verspäteten sie sich, riefen sie an, und ich holte sie ab. Anna Carolin hat in der 5. und 6. Klasse höchstens mal Fernsehverbot bekommen, wenn die Noten schlecht waren. Aber das kam selten vor. Stubenarrest hätten wir nie verhängt, weil es wichtig für die Kinder ist, Kontakte zu pflegen. Es gibt schon eine gewisse Leistungsorientierung, aber das meine ich gar nicht so, wie es bei den Kindern ankommt. Die fühlen sich manchmal unter Druck gesetzt. Wir haben darüber geredet, und ich habe versucht, deutlich zu machen, dass dies nicht mit einer persönlichen Wertung verbunden ist. Aber als Vater habe ich ganz konkrete Ängste: Sind die nächsten Lebensabschnitte machbar? Schaffen sie den Schulabschluss? Finden sie eine Lehrstelle? Ich will doch, dass es ihnen gut geht.