Seit sie fünf Jahre alt ist, kennt Hannah Jones nur noch Krankenhäuser. Seit acht Jahren erträgt die Britin das unpersönliche Leben in einem...

Rosenheim. Seit sie fünf Jahre alt ist, kennt Hannah Jones nur noch Krankenhäuser. Seit acht Jahren erträgt die Britin das unpersönliche Leben in einem Krankenzimmer, kein Poster eines Popstars an der Wand, ewig der Geruch von Sterilium. Die 13-Jährige aus dem englischen Hereford kann nicht mit ihren Freundinnen zum Tanzen gehen oder einen normalen Sommertag erleben.

Hannah leidet unter einer seltenen Art der Leukämie. Die vielen Chemotherapien haben ihr Herz so schwer geschädigt, dass es, wie berichtet, durch ein Spenderorgan ersetzt werden müsste. Doch das Mädchen will kein neues Herz. Hannah will endlich nach Hause - zum Sterben.

Längst ist auch in Deutschland eine Diskussion darüber entbrannt, ob eine 13-Jährige über ihren Tod entscheiden darf. Regierungsobersekretär Patrick Noss (38) vom Wasserwirtschaftsamt in Rosenheim erinnert Hannahs Leiden so sehr an seine eigenen schweren Erfahrungen in der Kindheit, dass er dem Abendblatt einen rührenden Appell an das Mädchen schrieb: "Hallo Hannah, als ich 12 Jahre alt war, hat mir ein Professor im Klinikum Großhadern in München (Deutschland) zweimal den Schädel geöffnet und eine 16-stündige Operation durchgeführt, ohne die ich heute nicht mehr leben würde. Ich habe damals eine Menge durchgestanden. Das war vor mittlerweile 22 Jahren! Wie Du siehst, können manchmal auch Wunder geschehen."

Gestern sprach das Abendblatt mit Noss, der von sich sagt, "Es war alles ziemlich katastrophal. Aber ich war immer am Kämpfen." In Trier geboren, zog Noss im Alter von vier Jahren zusammen mit seinen Eltern nach Bayern. Zunächst verlebte er eine unbeschwerte Jugend. Dann häuften sich die Beschwerden. Schließlich stellten die Ärzte die niederschmetternde Diagnose: Nur eine lebensgefährliche Operation könne das Leben des Jungen retten. Welche schwere Krankheit er hatte, will Noss nicht sagen. Nur so viel: "Ich kämpfe heute noch. Wenn man sich selbst aufgibt, ist es vorbei." Einen Durchhänger habe er in der Zeit nach dem Eingriff nie gehabt. Er kenne auch nicht das Gefühl, nicht mehr leben zu wollen. Zwar geht es Noss heute so gut, dass er berufstätig ist. Die Operationen haben dennoch Spuren hinterlassen.

Teillähmungen machen dem Rosenheimer zu schaffen. Aber, und das ist ihm wichtig: "Ich bin völlig geheilt." Inzwischen hat Noss eine Freundin und hofft, einmal selbst Kinder zu haben. Sein Fazit: Das Leben lohnt sich. Auch wenn Hannah ihren Tod beschlossen hat, so hat das Mädchen auch Pläne. Sie will Weihnachten zu Hause bei ihren Eltern Kirsty und Andrew Jones, den Geschwistern Oliver (11), Lucy (10) und der kleinen Phoebe (4) verbringen. Vielleicht wird sie auch noch Ostern erleben. Sie hofft, dass sie genug Kraft haben wird, um mit ihrer Familie nach Florida ins Disneyland zu reisen. Das ist ihr größter Wunsch.

Und dann sagt die kleine Britin etwas, das jedem Erwachsenen den Atem stocken lässt: Sie wisse, dass die Warteliste für Herztransplantationen lang ist. "Ich bin glücklich, dass ich das Leben eines anderen retten kann."