Nora und Kevin sind Nachwuchsstars im Musical “König der Löwen“

Hamburg. Noch zweieinhalb Stunden. Kevin wippt unruhig auf seinem Schaukelsofa hin und her, während Nora sich mit kurzen Blicken in den Spiegel vergewissert, dass alles in Ordnung ist. Die beiden Jugendlichen, zehn und zwölf Jahre alt, sind die Hauptdarsteller im "König der Löwen"-Musical. Zumindest für den ersten Akt, denn solange sind Simba und Nala, die Löwenkinder, die Nora und Kevin verkörpern, noch klein.

Wie die großen Schauspieler haben sie ihren eigenen Umkleide- und Ruheraum. Mit zwei extra kleinen Sofas, den dazu passenden Spiegelkommoden und richtigen Kinderklos. Kevin und Nora treten nur an zwei Tagen in der Woche auf. Drei weitere Nalas und Simbas machen den Rest, das verlangt das Jugendschutzgesetz. Seit Juni sind sie dabei.

Wie der kleine Löwe Simba auf der Bühne, so strotzt auch Kevin vor Selbstbewusstsein. "Tanzen kann ich am besten", erklärt er, befragt zu seinen Stärken. "Aber eigentlich kann ich Schauspielen noch besser - ich glaube, ich kann wirklich alles sehr gut" schiebt er dann hinterher.

"Zeit zum Einsingen", ruft Nadine, ihre Betreuerin, und schiebt die beiden durch die engen Gänge in ein kleines Zimmer mit Klavier. Spätestens hier wird klar, dass Nora und Kevin tatsächlich mehr auf dem Kasten haben als nur ein wenig Text. "Mi-ni-sing-mi-ni-sing", trällern sie nun mit Klavierbegleitung die Tonleitern hoch und runter, bis die Stimmbänder warm sind.

Eine dreiviertel Stunde noch. Nach dem Einsingen hat sich der Regisseur der Jungdarsteller angenommen, mit ihnen besprochen, was noch zu verbessern ist. Unter sechs Augen - da durfte niemand zusehen. Jetzt sitzen sie im Schminkraum, und die verspielte Albernheit ist weg. Nora sitzt ganz ruhig und erhaben auf dem viel zu großen Schminkstuhl, während die Stylistin ihr Kräuselhaar zu zwei runden Bommeln auf dem Kopf verknotet.

Eine Tänzerin, die sich am Spiegel gegenüber selber schminkt, zwinkert ihr zu. "Geht's dir gut?" Nora hat ein paar Tanzszenen mit den Großen und kennt viele der anderen Tänzerinnen. "Mit der großen Nala mache ich oft Witze und so." Auch Kevin, dem gerade eine Rastaperücke aufgeklebt wird, genießt das Theaterleben hinter der Bühne: "Man fühlt sich hier wie zu Hause". Besonders haben es ihm die Dirigenten angetan. Und Eddi, den Choreografen, nennt er sogar in einem Atemzug mit Fußballstar Ronaldo.

Dann endlich ist es soweit: Der Vorhang fällt, die Show beginnt. Ein Heer von Tieren nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise nach Afrika. Kevin kommt als Simba ins Schwitzen, springt über die Bühne, schlägt Räder. Man weiß tatsächlich nicht, ob er nun besser schauspielern oder besser tanzen kann. Als er dann auch noch singt, wird klar, wieso seinen Lehrern beim Zuschauen die Augen rausgefallen sind. "Ich mag das Lebhafte an der Rolle", hatte er vorher gesagt, und das ist nicht zu übersehen. Auch Nora spielt sich direkt in die Zuschauerherzen. Sieben Jahre Ballettunterricht zahlen sich aus, denn die kleine Nala tanzt wie die Großen, und wenn sie mit den anderen Löwinnen afrikanische Choräle singt, ist ihre helle Stimme auch in der letzten Reihe noch zu hören.

Nach fast anderthalb Stunden haben sie es geschafft. Zu tosendem Applaus fällt der Vorhang für die Pause, und die beiden verschwinden in ihr Kinderreich. Sie sind zufrieden und müde. Draußen wartet das Taxi, um sie nach Hause zu bringen. Nun sind sie doch froh, keine echten Löwen zu sein.