Handball: In einem Pilotprojekt an der Griesstraße werden nachmittags Kinder gezielt gefördert.

Hamburg. Ferzad sitzt auf einer Holzbank am Rande der Turnhalle und schaut so drein, wie man eben dreinschaut, wenn man die Sportsachen zu Hause gelassen hat und die anderen gerade richtig Spaß haben. Dabei ist Ferzad bestimmt kein Turnbeutelvergesser, im Gegenteil: "Handball macht Spaß", findet der Achtjährige und sieht versonnen zu, wie sich seine Mitschüler den Ball zuwerfen. "Aber Fußball ist besser", versichert Ferzad schnell.

Diese Meinung kann Merve (9) nun gar nicht verstehen. "Mit den Händen kann man doch viel mehr anfangen als mit den Füßen", sagt sie und streckt wie zum Beweis ihre Finger vor. Merve gehört zu den 14 von 22 Schülern der dritten Klasse der Schule Griesstraße, die mit dem Handball-Virus infiziert sind. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sie zwei Stunden pro Woche am Nachmittag ganz und gar freiwillig zum Training in die Schule kommen?

"Ich bin nachmittags sowieso manchmal allein zu Hause", erzählt Merve, "da kann ich doch auch Handball spielen." Erst recht wenn man einen so tollen Trainer hat wie Hans Riedel. Seit September leitet er die vom Hamburger SV ins Leben gerufene Handball-AG an der Grund-, Haupt- und Realschule in Hamburg-Hamm - und schon jetzt lassen sich mehr als 90 Kinder der ersten bis sechsten Klasse nach Schulschluss von ihm in die Feinheiten von Sprungwurf, Dribbling und Deckungsarbeit einweihen.

Heute ist Hans Riedel ausnahmsweise sogar zum Vormittagsunterricht gekommen. "Das ist die schönste Nachricht, die du uns bringen konntest", jubelt Benjamin, als Klassenlehrerin Stephanie Ganswindt am Morgen die Stundenplanänderung bekannt gibt. Dabei ist das Training bestimmt kein Kindergeburtstag: Schon das Aufwärmprogramm ("Sardinenfangen") sieht ziemlich anstrengend aus, danach werden in speziellen Übungen noch Reaktionsschnelligkeit und Gleichgewicht geschult, bevor endlich Handball gespielt werden darf.

"Wir wollen mit dem Training auch Bewegungsfähigkeit, Koordinationsvermögen und Orientierungssinn fördern", erklärt Coach Riedel den ganzheitlichen Ansatz, der vom Lehrerkollegium geschlossen mitgetragen wird. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: "Es ist unglaublich, welche Fortschritte die Schüler innerhalb eines halben Jahres gemacht haben", staunt Ganswindt. Einige, die eben noch bei jedem heranfliegenden Ball die Hände schützend vors Gesicht gehalten haben, langen jetzt beherzt hin. "Manche haben regelrecht die Angst vor dem Ball verloren", bestätigt die Pädagogin.

Emmanuel hat noch nie Angst vor Bällen gehabt - egal ob sie nun ins Tor getreten, geworfen oder in einen Korb versenkt werden sollen. "In meinem letzten Zeugnis stand, dass ich eine Sportskanone bin", erzählt der Neunjährige stolz. Und seit er im Fernsehen ein Handballspiel gesehen hat ("Mir gefällt es so gut, wenn die Spieler zum Wurf hochspringen"), steht sein Berufsziel auch schon fest: "Ich will Profi werden." Wenn nicht im Handball, dann eben im Basketball, das macht ihm nämlich genauso viel Spaß.

Auch in der Schulturnhalle hat die neue Handball-Euphorie bereits Spuren hinterlassen: Die alten Sprossenwände sind bereits abmontiert, stattdessen werden bald Prellwände installiert. Auch die improvisierten Tore - aufgemalte Rechtecke an den Schmalseiten - sollen demnächst durch echte Gehäuse ersetzt werden.

Angelina (9) hat sich trotzdem gegen die AG entschieden. Nicht, dass ihr Handball keinen Spaß bringt. Aber bei ihr steht zu der Zeit Videoclip-Dance auf dem Programm. Maxi steht nachmittags im Fußballtor. Aber der Achtjährige trägt sich schon mit Wechselgedanken: "Beim Handball darf man nicht so nahe ans Tor. Da bekomme ich nicht so harte Bälle ab . .