Ein langer Weg vom FC St. Pauli bis zum BC Hanseat.

Hamburg. Kämpfen, sagt Sonja Dürr von sich selbst, sei ihr Lebensinhalt. So bescheiden und zurückhaltend, wie sie im Gespräch wirkt, überrascht das. Doch ein Blick auf die Vita der 35-Jährigen, die 2006 zum vierten Mal in Serie deutsche Boxmeisterin in der Klasse bis 57 kg geworden ist, beweist, dass Durchsetzungsvermögen tatsächlich ihre große Stärke ist.

Sich als Frau in Männerdomänen zu behaupten, scheint für die Faustkämpferin eine Triebfeder zu sein. Als sie sich 1997 beim Fußballspielen für das Damenteam des FC St. Pauli das Kreuzband riss, schien die sportliche Karriere vorbei. Andere hätten wohl klein beigegeben, Dürr fühlte sich angespornt. Der Boxsport hatte sie schon immer fasziniert, und so nahm sie in der Frauen-Trainingsgruppe beim BSV 19 erste Übungsstunden.

"Ich habe schnell gemerkt, dass ich den Wettkampf brauche, deshalb war klar, dass ich in den Ring steigen will", so Dürr. Am Vatertag 1998 absolvierte sie in einem Bierzelt in Niendorf ihren ersten Kampf, doch komplett vom Boxfieber erfasst war sie erst nach einem Kuba-Urlaub im selben Jahr. "Dort habe ich mehrere Wochen in einer Boxschule trainiert und mir ganz neue Bewegungsabläufe erarbeitet", sagt sie. Diese Schule, gepaart mit dem eisernen Willen, sich stets zu verbessern, führt die gebürtige Hamburgerin, die mit ihrem Ehemann im Schanzenviertel lebt, zu nationalen und internationalen Erfolgen. 2002 wird sie, mittlerweile für ihren heutigen Verein BC Hanseat boxend, Hamburger Meisterin, gewinnt 2003 bei den erstmals ausgetragenen deutschen Frauenmeisterschaften den Titel und holt dazu in Ungarn EM-Silber. Doch ihren härtesten Kampf muss die Athletin außerhalb des Seilgevierts austragen.

Als ihr die Funktionäre des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV) unter Angabe von lächerlichen Gründen - sie sei international nicht konkurrenzfähig und zu alt, um Förderung zu erhalten - die Teilnahme an der EM 2005 untersagten, lehnt sich die Sportlerin auf. Zwar erhält sie die Startberechtigung nicht, verhilft aber dem Frauenboxen zu mehr Aufmerksamkeit. "Ich habe den Kampf um Akzeptanz nicht nur für mich gekämpft, sondern auch für die jungen Talente, damit die es später leichter haben", sagt sie. Mittlerweile unterhält der DBV einen Frauenförderkader.

Allerdings droht der gelernten Elektronikerin für Geräte- und Anlagentechnik, die sich in ihrer Freizeit in einer afghanisch-deutschen Frauengruppe für Integration stark macht, neues Unheil. Auch national droht die Absenkung der Altersgrenze für Wettkämpfe von 37 auf 35. "Wenn das passiert, werde ich versuchen, Profi zu werden. Ich fühle mich noch zu fit zum Aufhören", sagt sie. Bislang hat sie das Profigeschäft wegen des "ausschweifenden Kommerzgedankens" eher ablehnend betrachtet.

  • Wer sind Ihre Hamburger Sportler des Jahres? Senden Sie Ihre Vorschläge bitte bis zum 13. Januar an das Abendblatt, "Sportgala", 20 790 Hamburg, Fax an 040/34 72 28 00 oder E-Mail an sportgala@abendblatt.de. Infos: www.Hamburger-sportgala.de.