Wien. Es lief die 60. Spielminute, als Mario Gomez seine Nummer neun auf der Wechseltafel aufleuchten sah. Das Tagewerk von Deutschlands aktuellem Fußballer des Jahres war damit beendet, und zufrieden sah Gomez trotz des Spielstands von 1:0 für Deutschland nicht aus. Ein Abklatschen mit Kotrainer Hans-Dieter Flick, aufmunternder Applaus von Ersatzspieler Simon Rolfes, das war es. Gefrustet nahm der 22-Jährige dort Platz, wo er nun wahrscheinlich auch den Rest dieser Europameisterschafts-Endrunde erleben wird: auf der Bank.

Dabei sollte diesmal alles anders werden. Nach den drei enttäuschenden Auftritten im abschließenden Test gegen Serbien und zum Auftakt der Europameisterschaft gegen Polen und Kroatien, hatte er selbst wohl am allermeisten gehofft, dass der Knoten endlich platzen möge. Selbstbewusst und aus voller Brust sang er vor dem Anpfiff die deutsche Nationalhymne, deren Klängen er in seinen zwölf Länderspielen zuvor stets nur andächtig gelauscht hatte. Das Zeichen war unmissverständlich: Die Passivität sollte der Vergangenheit angehören - vor allem vor des Gegners Tor.

So sahen die 51 428 Zuschauer im Wiener Ernst-Happel-Stadion dann zunächst auch einen neuen Gomez, dessen Körpersprache viel versprach - letztlich aber nichts halten konnte. Bereits nach fünf Minuten war der in der Bundesliga stets treffsichere Angreifer des VfB Stuttgart (19 Saisontore) wieder in die bei seiner ersten EURO für ihn typischen Verhaltensmuster zurückgefallen. Abwesend, lethargisch, ja teilweise pomadig trottete der Torjäger a. D. über den Platz. Aus zwei Metern hatte er es fertiggebracht, eine Hereingabe von Miroslav Klose nicht im österreichischen Tor unterzubringen. Der Knackpunkt.

Bis auf wenige Ausnahmen ging der gesamten deutschen Offensive mit zunehmender Spieldauer die in den ersten Minuten mehrfach angedeutete Gefahr ab. Miroslav Klose mühte sich zwar als Sturmführer, erhielt von seinen (nicht) nachrückenden Kollegen aber zu wenig Unterstützung. Da die Außenverteidiger Arne Friedrich und Philipp Lahm meist in der Defensive gebunden waren und auch das Spiel von Kapitän Michael Ballack ohne die entscheidenden Pässe in die Spitze auskam, waren Gomez, Klose und auch Lukas Podolski weitgehend auf sich allein gestellt.

"Torschützenkönig wird auf jeden Fall ein Deutscher", hatte Klose vor dem EM-Start noch orakelt. Eine Einschätzung, die - bei drei Toren von Mittelfeldspieler Lukas Podolski - weiter ihre Berechtigung hat. Allerdings, und das weiß auch Klose, wartet der deutsche Angriff seit 286 Minuten, seit Oliver Neuvilles 1:1-Ausgleich gegen Serbien, auf einen Treffer.

Und dass sich selbst Oldie Neuville vom Torgeiz seiner Konkurrenten anscheinend hat anstecken lassen, bewies der eingewechselte 35-Jährige mit der letzten Aktion des Spiels, als er nach einem Konter aus 14 Metern am Tor vorbei zielte.

Im Viertelfinale gegen die offensivstarken Portugiesen, dürfte Joachim Löw die von vielen schon für das Österreich-Spiel prophezeite Umstellung vollziehen. Podolski würde dann zu Gunsten eines defensivstärkeren Mittelfeldspielers für Gomez in den Angriff vorrücken und gemeinsam mit Klose den erfolgreichen WM-Sturm bilden.