Korfu: Abseits der Hotelstrände. Bei einer Rundfahrt zeigt sie ihre Bandbreite zwischen Ruhe und Lärm, Fülle und Einsamkeit.

Noch immer ist das Geknatter schon von weitem zu hören, doch es klingt anders als vor zehn Jahren. Damals waren viele Ausflügler auf Korfu mit dem Motorroller unterwegs, ohne Helm natürlich. Heute dagegen setzen sich viele Touristen - weiterhin ohne Helm - auf Quads, kleine Ungetüme mit vier Rädern und deutlich mehr Durchzugskraft. Fast überall auf Griechenlands grünster Insel kann man ihnen begegnen. Wer von Sidari, Acharavi, Paleokastríítsa, Dassia und den anderen Urlauberhochburgen aus Tagestouren plant, ist mit einem Mietwagen besser beraten.

Auf der Karte wirkt Korfus Norden zwar kompakt - die kurvigen Strecken bergauf-bergab können sich jedoch in die Länge ziehen. Aber es lohnt sich, den Hotelstränden einmal den Rücken zu kehren und auf eigene Faust auf Erkundungstour zu gehen. Zypressen und Pinien säumen die Wege, vor allem aber bestimmen Millionen Olivenbäume das Bild. Und es wird deutlich, daß Korfus Bandbreite enorm ist: Mal ist die Insel still, dann wieder laut, mal ein einsamer Ort, mal überfüllt.

Nach einer Stunde ist mit dem Auto von der Nordküste aus der Myrtióótissa-Strand erreicht, der unter steilen Felswänden im Westen der Insel liegt. Man könnte ihn auch den Zwei-Euro-Strand nennen: Parkplatz, Sonnenschirm und Sonnenliege sowie das Bier und der Grüne Salat in der Taverne "Bella Vista" - alles kostet hier zwei Euro. Eine steile Schotterpiste führt vom Ende der Straße hinunter ans Meer, wo eine sanfte Brandung den feinen gelben Sand umgräbt. Überlaufen ist der Myrtióótissa-Strand selten, dazu ist er zu weit von den meisten großen Urlauberorten entfernt.

Wenn mittags der Hunger plagt, ist die "Bella Vista"-Taverne eine kleine Entdeckung. Hier ist nichts gelackt, sondern alles so, wie man sich das ursprüngliche Korfu vorstellt. Das Mobiliar sieht aus wie willkürlich aus einer Schrebergartenkolonie zusammengesucht. Über den Tischen mit den rot-weiß und blau-weiß karierten Decken spannen sich lange Jutebahnen als Dach, auf denen Stroh verteilt liegt. Schmetterlinge umtanzen die Gäste, denen Wirtin Athanasiou Jorvos fette Hühnerbeine mit Pommes vorsetzt.

Schöne Blicke auf das tiefblaue Meer und das grüne Land haben auch die Touristen, die nach Paleokastríítsa kommen. Hauptattraktion ist hier das orthodoxe Männerkloster, dessen prächtige Bauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert auf einem Hügel liegen, der wie eine Halbinsel in die Bucht hineinragt. Zu seinen Füßen herrscht aber oft ein großes Verkehrschaos. Die direkt nebenan am groben Kiesstrand liegenden Urlauber werden gleichzeitig mit Motorenlärm und Abgasen malträtiert.

In der Hochsaison ist Paleokastríítsa also alles andere als ein ruhiges Urlauberparadies. Das vielleicht Schönste an dem Klosterort ist dann die Aussicht, die sich von der steil ansteigenden Straße nach Lakones und Makrades auf ihn bietet. An mehreren Stellen lohnt es, links ranzufahren und das Auge schweifen zu lassen. Dutzende Blau- und Grüntöne malen dann auf der Netzhaut ein kräftiges Bild.

Weiter in Richtung Nordwesten erwarten den Fahrer viele Hügel und steile Serpentinenstrecken, die durch kleine Dörfer führen, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Plötzlich ist der ganze Rummel an der Küste wieder sehr weit weg. Überraschende Perspektiven öffnen sich auch hier immer wieder, so zum Beispiel in den Bergen südlich von Agios Georgios: Der Badeort mit seinem langen hellen Sandstrand ist schon aus der Ferne zu sehen, und bei klarem Wetter sind auch die drei kleinen Inseln Othoníí, Erikoússa und Mathraki nördlich von Korfu im Ionischen Meer gut zu erkennen. Dann taucht der Mietwagen wieder ab unter die Haube der Olivenbäume.

Eine Reise nach Korfu wäre nicht komplett ohne einen Ausflug nach Korfu-Stadt. Zwei Festungen aus venezianischen Zeiten, die verwinkelte Altstadt, die Esplanade mit den Arkadengängen, wo die Tasse Kaffee drei Euro kostet - all das gehört für viele Touristen zum Pflichtprogramm. Gleiches gilt für die kleine, viel fotografierte Klosterinsel Vlacherna nahe des Flughafens, eines der Wahrzeichen Korfus. Auch der Wochenmarkt lohnt einen Besuch, wo Sardinen in großen Plastiktüten verkauft werden und es die Marktfrauen schaffen, gleichzeitig das Wechselgeld herauszugeben und wie ein Wasserfall in das Handy zu brüllen, das viele von ihnen pausenlos ans Ohr halten. Doch auch wer es ruhiger haben will, findet in Korfu-Stadt seine Refugien. Südlich der Innenstadt liegt der Park Mon Repos mit dem gleichnamigen Schloß in seiner Mitte, einst der Sommersitz der griechischen Königsfamilie. Auch hierhin verirren sich nicht allzu viele Touristen, sondern eher Jogger auf der Suche nach einer schattigen Laufstrecke.

Eines kann Korfu-Stadt wegen seiner Lage im Osten der Insel jedoch nicht bieten: einen Sonnenuntergang im Meer. Dazu müssen die Urlauber wieder in den Westen, zum Beispiel zum Logas-Strand in der Nähe von Peroulades ganz im Nordwesten. Wenn es sich der Gast des Restaurants auf den Klippen in einer Hängematte bequem macht, sieht er die Sonne im Meer versinken. Entspannende Musik klingt aus den Boxen der Bar - und das nervige Geknatter der Roller und Quads ist nur noch eine ferne Erinnerung.