Fresh Fish!" Der Kellner klappt mir ungefragt die Speisekarte vors Gesicht. Dann zerrt er mich an eine gläserne Vitrine, in der ein Dutzend tote Doraden auf den Verzehr warten, vermutlich schon seit dem Mittag. Und nun, zum Abendessen, hat die Jagdsaison ihren Höhepunkt. Wir Touristen sind das Jagdobjekt. Nirgendwo kobern Kellner so brachial wie in Chersonissos auf Kreta. Kaum kommtman gesättigt aus einer Taverne, schnellt der Ouzo-Ober aus der nächsten heran. Obwohl er sieht, wie man schwer atmend Bauernsalat, Tsaziki und Souflaki verdaut, schwallt er uns Urlauber voll: "Best greek kitchen in town!"

Okay, die Touristenfallen können Sie schnell ausmachen. Sie sind in der Regel in unmittelbarer Nähe der Sehenswürdigkeiten aufgestellt: unter dem Eiffelturm, vor Big Ben, am Petersplatz. Wenn Sie dort essen gehen, haben Sie drei Wochen Quarantäne vor sich. Auch ein absolutes Unding: Fotos in Speisekarten. Dort blättern sie eingeschweißte Bilder durch: Wiener Schnitzel, Hot Dog, Tiramisu. Genauso eingeschweißt schmeckt es dann, wenn es zu Ihnen auf den Tisch kommt. Keinen Deut besser sind die Restaurants mit mehrsprachigen Speisekarten - vor allem dann nicht, wenn irgendeine Kaltmamsell für die Übersetzung verantwortlich war. Tomate mit Mozzarella und Basilikum habe ich schon als "Rotfrucht mit Käse aus der Kirche" gelesen. Die Dolmetscherin hatte Basilikum und Basilika verwechselt.

Auf Mallorca bin ich grundsätzlich ambitioniert, mich in der Landessprache mit der Bedienung zu unterhalten. So buchstabiere ich meist mit großer Akribie die katalanischen Gerichte, jäh unterbrochen durch den Kellner: "Essen später! Was wollen Sie trinken?" Der Service auf Mallorca kann sehr direkt sein. In der Regel klappt man dort schon die deutsche Karte auf, ohne dass Sie ein einziges Wort gesagt haben. Da lobe ich mir doch die kleine Strandbar auf Captiva Island, Florida. Die hatte ein klares gastronomisches Konzept, eine eindeutige Philosophie: "Warm beer and lousy food". Der Laden hatte auf der Speisekarte nicht zu viel versprochen, das Bier war wirklich warm und das Essen lausig.

Seit einigen Jahren beobachte ich nun auf Reisen einen neuen Trend: Die Speisekarten werden von Literaten verfasst. Selbst mein Stamm-Steakhouse in Berlin schreibt nicht mehr einfach nur "Rinderfilet". Nein, heute heißt es "Filet vom Hochland-Rind". Gerade war ich auf der "Royal Clipper", einem wunderbaren Fünf-Mast-Segelschiff. Was konnte ich da im Abendmenü lesen? "Turban von der Seezunge." Zur Erklärung: Der Fisch war aufgewickelt. Kleiner Tipp: Die drei Gurkenscheiben, die auf dem Tellerrand lagen, hätte man durchaus auch noch erwähnen können. Vielleicht so: "Gurken-Carpaccio im eigenen Sud."

Dieses Jahr im November fahre ich nach Antwerpen. Gastronomisch durchaus interessant, gilt doch Belgien als die Heimat der Pommes Frites. Und Pommes rot-weiß, das ist etwas Grundsolides. Pardon, natürlich nicht Pommes rot-weiß. Richtig muss es heißen: "Kanthölzer von der Kartoffel mit zweierlei Dip."