Wir saßen nicht auf der Spanischen Treppe, warfen keine Münze in den Trevi-Brunnen, pilgerten nicht zum Petersplatz. Und wir besuchten auch kein einziges Museum.

Zwei Tage verbrachten meine Frau und ich in Rom. Ganz ohne Kunst, und doch waren wir umzingelt von Künstlern - von Klein- und Lebenskünstlern. Der erste Künstler, den wir trafen, war der Kellner auf der Piazza Navona. Er umwickelte meine Frau dreimal mit Casanova-Charme, entschuldigte sich mit Händen, Füßen und Oberschenkeln, dass er kein Deutsch spreche. So lange, bis wir aus menschlichstem Mitgefühl zwei mittelgroße Biere bestellten. Für 16 Euro, wie wir dann auf der Rechnung sahen, die er uns tänzelnd an den Tisch brachte.

Einer der größten zeitgenössischen Künstler war der Blumenverkäufer vor der Spanischen Treppe. Selbstlos schenkte er meiner Frau zwei Rosen. Mit einem Blick tiefster Zuneigung, als wolle er sie mit der Vespa vierzehnmal um den Vatikan fahren. Danach folgte er uns durch die Stadt. Das zärtliche "Amore" war längst dem deutlichen "dodici" gewichen. Was soviel heißt wie: zwölf. Für zwei Rosen ein bemerkenswerter Preis.

Dann präsentierte uns die italienische Hauptstadt ihren nächsten Künstler: den Mützenmann in der Via della Croce. Auf die Knie fiel er, um meiner Frau klarzumachen: Dieses Barett sitzt wie eine zweite Kopfhaut. Nie in seinem langjährigen Berufsleben habe er eine Frau gesehen, der eine Mütze so gut stehe wie diese von ihm handgenähte. Dass die Mütze zwei Nummern zu groß und nur für Männer war, hatte er glatt übersehen.

Die größte Bühne für Lebenskünstler ist in Rom der Campo de' Fiori. Hauptdarstellerin an diesem und vermutlich allen anderen Tagen: die "Koma-Oma". Eine ältere, grauhaarige und korpulente Römerin. "Koma-Oma" hatte ihre Vorstellung direkt vor unserem Restaurant. Sie wimmerte und winselte vor Kopfschmerzen. Die Migräne marterte sie, der nahende Tod war nur eine Frage von Sekunden. Nein, eine Oma im Koma in Roma - das durften wir nicht zulassen. Auch andere Touristen fassten sich ein Herz und reichten ihr die für eine Not-OP notwendigen Euros. Auf die Schnelle hätte sie sich zwanzig Packungen Tabletten kaufen können, um sich Linderung zu verschaffen. Dass sie die Spenden aber sofort stets in Lambrusco umsetzte, erklärte letztlich auch die Kopfschmerzen.

Einher mit dem Verschwinden der "Koma-Oma" ging das Erscheinen von "Cannabis-Caesar", einem bis unter die Schädeldecke zugekifften Römer. Auf einer Bonsai-Buschtrommel versuchte er "We will rock you" zu klopfen. Dazu krächzte er eine Melodie von Paolo Conte. Die drei Euro, die wir ihm reichten, hätten wir eigentlich behalten müssen - als Schmerzensgeld.

Nach ihm kamen noch: ein fröhliches Folklore-Ensemble aus Südtirol, zwei Straßen-Stepperinnen und ein einsamer Toskana-Hirte mit einem noch nicht bezahlten Schifferklavier, für das er sammelte. Alle hatten in Rom ihre Aufführung. Der einzige, der fehlte, war ein italienischer Fußballnationalspieler, der sich nach einem Foul vor "Schmerzen" auf dem Boden krümmte.