Die Sozialdemokratin ist stolz auf das, was sie in der Kommunalpolitik für die Menschen in ihrer Stadt erreicht hat. Und will trotz ihrer 75 Jahre noch weitermachen.

Glinde. "Frau Exner, die hilft": Das ist in Glinde bekannt. "Wenn die Leute sich beschweren wollen oder Anregungen haben, dann kommen sie zu mir", sagt Marietta Exner. Sie redet darüber nicht viel. Es komme nicht darauf an, wer geholfen habe, sondern dass es getan werde. Seit 1986 sitzt Exner für die SPD in der Glinder Stadtvertretung. War lange Jahre Mitglied im Sozialausschuss und ist jetzt im Bauausschuss. "Links" und "Rechts" mag sie nicht als Etikett für die Zugehörigkeit zu einem Parteiflügel. Mit grünen Begriffen "Fundi" und "Realo" könne sie mehr anfangen. Marietta Exner fühlt sich als SPD-Realo. Und ist bekannt dafür, dass sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hält. Da kann es passieren, dass sie Dinge anders sieht als Teile der Fraktion.

So wie bei der Frage, ob Glinde ein autonomes Jugendzentrum bekommen sollte oder nicht. "Ich habe nichts gegen ein selbst verwaltetes Jugendzentrum, aber es muss auf gesetzlicher Ebene sein." Im Juni 2009 gab sie den SPD-Ortsvorsitz ab, weil sie sich von aktiven Mitgliedern in dieser Position nicht genügend unterstützt fühlte. "Als Beisitzerin kann ich meine Meinung besser vertreten", sagt die streitbare Lokalpolitikerin heute. Zum Beispiel diese: "Von zehn Euro mehr Kindergeld hat kein Kind etwas." Das Geld solle man lieber den Kitas zur Verfügung stellen. "Wie viele Kindergärtnerinnen könnte man davon einstellen?" Aktiv ist sie auch bei der AWO, wo sie seit mehr als 20 Jahren mitarbeitet. Und im Gesprächskreis 60 plus, den sie 1992 gegründet hat. Jeden zweiten Donnerstag im Monat treffen sich rund 35 Senioren bei Kaffee und Kuchen im Bürgerhaus. Mit dabei ist immer ein Referent zu aktuellen Themen.

"Im ganzen Bundesgebiet ist unser 60 plus einmalig", sagt Marietta Exner stolz. Rainhard Zug und Martin Habersaat waren gerade da. "Von Herrn Zug halte ich viel", sagt sie über den Bürgermeisterkandidaten. Er sei erfahren, an Glinde interessiert und sehr engagiert: "Es wäre Quatsch gewesen, einen eigenen Kandidaten aufzustellen", meint sie. Mit den beiden SPD-Kandidaten, Martin Habersaat für den Landtag und Gesa Tralau für den Bundestag, ist sie zufrieden. "Wir an der Basis brauchen Leute, die ihre Meinung nach oben vertreten können, keine Ja-Sager."

Ganz wichtig sei ihr, dass die Bürger ihr Wahlrecht nutzen. "Wer nicht hingeht, darf auch nicht meckern. Lieber das kleinste Übel wählen oder einen ungültigen Wahlzettel abgeben", sagt Exner. Verstehen kann sie die Politikverdrossenheit der Menschen trotzdem. "Es fehlt am richtigen Verhältnis nach unten. Wenn 20 Prozent einen ungültigen Zettel abgeben, müssen die da oben ja merken, dass sie was falsch machen."

Sie selbst würde nicht viel anders machen in ihrem Leben, nur eines: Sie würde den Beruf nicht wieder aufgeben. Eigentlich ist Marietta Exner in Glinde aufgewachsen, denn im Alter von sieben bis 18 Jahren lebte die 1933 in Hamburg Geborene schon einmal hier. Der Vater, ein gelernter Schriftsetzer, arbeitete beim Heereszeugamt und bekam eine Wohnung in Glinde zugewiesen. "Das war ein Glück, denn sonst würde ich heute nicht mehr leben, wegen der Bomben auf Hamburg damals", sagt Exner. Zur Politik kam sie schon früh durch das Elternhaus, denn der Vater war seit 1925 SPD-Mitglied. Mit 13 trat sie in die "Falken", die SPD-Jugendorganisation, ein und führte dort mit knapp 16 Jahren ihre erste Jugendgruppe. Das sei rückblickend vielleicht ein wenig früh gewesen für einen so jungen Menschen. Es entsprach aber ihrem Naturell, Verantwortung zu übernehmen, sich einzumischen und zu helfen. "Du warst schon immer eine Autoritätsperson", sagte Jahre später ein Falkenmitglied zu ihr.

Als ihre Eltern zurück nach Hamburg zogen, wechselte die damals 18-Jährige zu den Hamburger "Sturmfalken". Doch mit den Hamburgern wurde sie nicht warm. Sie machte eine kaufmännische Lehre und arbeitete in mehreren Firmen, zuletzt bei Otto Dörner im Erdbau. "Dort und beim Architekten war es am schönsten", erinnert sie sich.

Ihren Mann lernte sie in Stuttgart kennen. 1978 zog sie mit der Familie zurück nach Glinde und wurde als junge Mutter wieder politisch aktiv. Erst über den Elternrat an der Schule ihrer Tochter. Dort war so viel im Argen, dass sie mehr bewegen wollte. Also trat sie 1982 in die Glinder SPD ein und wurde zwei Jahre später unter Lothar Woitascheck zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. 1990 wählte die SPD sie zum ersten Mal zur Vorsitzenden, sie blieb bis es 1994. Als 2004 Norbert Schicketanz auf den Posten kam, ließ sie sich zur Stellvertreterin wählen. Als er vorzeitig aufgab, übernahm sie und behielt bis Juni 2009 den Vorsitz. Viel Freude habe ihr die Arbeit im Sozialausschuss mit dem früheren Vorsitzenden Rüdiger Berndt (CDU) gemacht. "Wir haben viel erreicht und vieles einstimmig beschlossen. Das Jugendzentrum Spinosa ist das Werk von mir und Herrn Berndt", sagt sie.

Eigentlich wollte die SPD die alte Villa im Gellhorn-Park zum Jugendzentrum umgestalten. Mit den Jugendlichen aus der früheren Begegnungsstätte Süd hat sie damals die Villa besichtigt. "Die waren begeistert und haben das Haus in Gedanken schon eingerichtet", erinnert sie sich. Doch dann waren bei der entscheidenden Stadtvertretersitzung zwei SPD-Mitglieder krank, und die Sozialdemokraten konnten ihren Antrag auf ein Jugendzentrum im der Villa nicht durchsetzen.

Ihr größter Wunsch für das Neubaugebiet am Depot: Ein Bürgerhaus für Jung und Alt mit Festwiese auf dem Gelände des alten Bahnhofes. Aber das sei schwierig durchzusetzen, denn "Glinde gehört ja hier nichts". Das geplante Einkaufszentrum am Alten Sportplatz findet sie zu groß. Beim Marktplatz hofft sie, dass es so wird, wie es sich die Fraktion einst vorgestellt hat. Sie freut sich auf die Fitnessgeräte für Senioren, die dort aufgestellt werden sollen, und auf die Sitzbänke. Dort stand nämlich auch ihre Lieblingsbank. Gut, dass im heimischen Garten auch zwei Bänke stehen. Hier sitzt sie gern, wenn die Vögel sie lassen. Die sind sehr verwöhnt und frech, weil ihr Mann sie immer so gern füttert.